Entscheidungsstichwort (Thema)
Hauptsacheerledigung
Leitsatz (amtlich)
Auch wenn erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung, aber vor Verkündung einer Entscheidung in der Sache übereinstimmende Erledigungserklärungen der Parteien vorliegen, ist nur noch gemäß § 91a Abs. 1 ZPO über die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden.
Normenkette
ZPO § 91a Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 11.01.2005; Aktenzeichen 79 Ca 23659/04) |
Tenor
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. Januar 2005 – 79 Ca 23659/04 – ist wirkungslos.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Gründe
1. Das Arbeitsgericht Berlin hat die Beklagte verurteilt, ein Abmahnschreiben vom 13. Juli 2004 und ein Schreiben der späteren Rechtsvertretung des Klägers vom 03. August 2004 aus dessen Personalakte zu entfernen und zu vernichten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe sich an einem zulässigen Warnstreik seiner Gewerkschaft beteiligt, weshalb kein Fehlverhalten vorgelegen habe. Es habe keine Friedenspflicht bestanden, und mit der Übergabe des Streikaufrufs habe die Gewerkschaft zu erkennen gegeben, dass sie die Verhandlungsmöglichkeiten für erschöpft halte.
Die Beklagte hat im Verhandlungstermin in der Berufungsinstanz die Hauptsache mit der Behauptung für erledigt erklärt, dass Abmahn- und Aufforderungsschreiben während einer vorangegangenen Unterbrechung der Verhandlung aus der Personalakte des Klägers entfernt und vernichtet worden seien, und ihren Sachantrag nur noch hilfsweise gestellt. Der Kläger hat sich hierzu mit Nichtwissen erklärt und Zurückweisung der Berufung beantragt.
Die Kammer hat dem Kläger aufgegeben, innerhalb einer Frist von zwei Wochen schriftsätzlich mitzuteilen, ob die Behauptung der Beklagten bestritten oder ob andernfalls nicht doch ebenfalls der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt werde.
Nach Einsicht in seine Personalakte hat sich der Kläger mit Schriftsatz vom 21. Juni 2005 der Erledigungserklärung der Beklagten angeschlossen.
2. Aufgrund der beiderseitigen Erledigungserklärungen war nicht mehr über das ursprüngliche Klagebegehren des Klägers, sondern nur noch gemäß § 91a Abs. 1 ZPO über die (Pflicht zur Tragung der) Kosten zu befinden.
2.1 Dass der Kläger seine Erledigungserklärung erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung abgegeben hat, war unschädlich, weil aufgrund dieser Verhandlung noch keine Entscheidung über die Berufung der Beklagten ergangen war. Diese Entscheidung zurückzustellen erschien gemäß Art. 103 Abs. 1 GG mit Rücksicht auf das beiden Parteien zu gewährende rechtliche Gehör geboten. Es kann einem beklagten Schuldner nicht versagt werden, auf rechtlichen Hinweis des Gerichts hin die eingeklagte Leistung zu erbringen und seinen sich daraus ergebenden Erfüllungseinwand unter Beachtung der Zulassungsvoraussetzungen des § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG auch noch in den Rechtsstreit einzuführen. Ebenso muss der klagende Gläubiger bei einer nicht ihm gegenüber zu erbringenden Leistung die Möglichkeit erhalten, sich vom Eintritt des Leistungserfolgs zu überzeugen und sich über § 283 Satz 1 ZPO hinaus hierzu wahrheitsgemäß zu erklären. Andererseits kann ein allein im Verhandlungstermin erhobener Einwand eines Erlöschens der Klageforderung gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch soeben bewirkte Erfüllung das Gericht nicht zu einer Vertagung der Verhandlung gemäß § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO zwingen.
2.2 Die Entscheidung konnte gemäß §§ 91a Abs. 1, 128 Abs. 3, 308 Abs. 2, 525 Abs. 2 Satz 1 ZPO, §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und Abs. 7 ArbGG von Amts wegen und ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden allein ergehen.
2.3 Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand war davon auszugehen, dass die Berufung der Beklagten zurückgewiesen worden wäre.
2.3.1 Das Arbeitsgericht Berlin hat mit zutreffender Begründung dargelegt, dass der Kläger einem zulässigen Streikaufruf seiner Gewerkschaft gefolgt war, weshalb keine Verletzung seiner Arbeitspflicht vorlag (§ 69 Abs. 2 ArbGG analog). Dass nach dem im Verhandlungstermin vorgelegten Beschluss des Bundesvorstands der Gewerkschaft vom 21. Juni 2004 Warnstreiks zwecks „Durchsetzung der Wiederaufnahme (CineMaxX) und Neuaufnahme (UFA) von Tarifverhandlungen” durchgeführt werden sollten, war unschädlich. Nach dem gemäß § 133 BGB erkennbaren Sinn dieser Formulierung ging es nicht um die Erzwingung von Verhandlungen als solchen, was ohnehin kein tarifvertraglich regelbares Ziel dargestellt hätte, sondern um die Durchsetzung der erhobenen Forderungen in solchen Verhandlungen. Damit erledigte sich auch der Einwand der Beklagten, ihre Verhandlungsbereitschaft bereits erklärt zu haben. Zudem macht selbst die Vereinbarung eines neuen Verhandlungstermins Arbeitskampfmaßnahmen bis dahin nicht unzulässig (BAG, Urteil vom 21.06.1988 – 1 AZR 651/86 – BAGE 58, 364 = AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 108 zu A I 5 c der Gründe).
2.3.2 Soweit die Beklagte eine Unterrichtung ihrer Geschäftsleitung vom Streitaufruf in Abrede ...