Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlung Teilzeitbeschäftigter bei der Festsetzung von Beschäftigungszeiten gem. § 19 BAT
Leitsatz (amtlich)
Es verstößt gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn Tarifvertragsparteien Teilzeitbeschäftigte ohne sachlichen Grund bei der Anerkennung ihrer Beschäftigungszeiten – hier: gemäß § 19 BAT – gegenüber Vollzeitbeschäftigten benachteiligen.
Normenkette
BAT § 19
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 31.05.1995; Aktenzeichen 10 Ca 5210/94) |
Nachgehend
Tenor
1) Die Berufung des beklagten Landes wird kostenpflichtig zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß der Tenor des arbeitsgerichtlichen Urteils zur Klarstellung neu gefaßt wird:
Das beklagte Land wird verurteilt, die von der Klägerin vom 30.08.1976 bis 31.03.1991 als Teilzeitkraft im öffentlichen Schuldienst zurückgelegte Zeit als Beschäftigungszeit gemäß § 19 BAT festzustellen.
2) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Umfang der von der Klägerin erreichten Beschäftigungszeit.
Die Klägerin, die die Befähigung zum Lehramt an Grund- und Hauptschulen hat, unterrichtet seit dem 30.08.1976 am Gymnasium K. das Fach Kunst. Die Unterrichtszeit betrug bis zum 31.07.1978 4 Stunden/Woche, seitdem beträgt sie 5 Stunden/Woche. Ihre Vergütung, die zunächst auf Basis der geleisteten Unterrichtsstunden berechnet worden war, wird seit dem 01.01.1987 gemäß Vergütungsgruppe III BAT gezahlt. Im übrigen wurde auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin der BAT nicht angewendet. Auch der Arbeitsvertrag der Klägerin vom 05.08.1991 nahm nicht auf den BAT Bezug. Die Vergütung lag vor Beginn der Tätigkeit der Klägerin an über der Verdienstgrenze für geringfügig Beschäftigte.
Die nicht gewerkschaftszugehörige Klägerin stellte bei dem Regierungspräsidenten D. den Antrag, die vor dem 01.01.1991 erbrachte Dienstzeit bei der Berechnung ihrer Dienstzeit im Sinne des § 19 I BAT einzubeziehen. Hierauf teilte ihr der Regierungspräsident D. durch Schreiben vom 19.10.1993 mit, Tag der Einstellung sei für sie der 01.04.1991, ihre Beschäftigungszeit rechne ab diesem Datum. Weiterhin heißt es in dem formularmäßigen Schreiben: „Sofern Sie Dienstzeiten abgeleistet haben, die in der anliegenden Berechnung nicht berücksichtigt worden sind, können Sie deren Anrechnung innerhalb einer Ausschlußfrist von 3 Monaten nach Empfang dieser Festsetzung geltend machen”. In einem weiteren Schreiben des Regierungspräsidenten hielt dieser an seiner Ansicht fest, die Dienst- und Beschäftigungszeit der Klägerin rechne ab dem 01.04.1991. Die zuvor erreichte Dienst- und Beschäftigungszeit, auf die der BAT nicht anwendbar gewesen sei, bleibe gemäß § 2 Abs. 1 Buchst. a) des 66. Änderungstarifvertrags zum BAT unberücksichtigt.
Der Regierungspräsident D. bot der Klägerin unter dem 24.01.1994 den Abschluß eines Arbeitsvertrages an, dessen § 2 eine umfassende Bezugnahme auf die Bestimmungen des BAT enthält. Die Klägerin, die zwischenzeitlich Klage zum Arbeitsgericht Düsseldorf erhoben hatte, stimmte diesem Angebot am 31.01.1995 zu. In § 1 des Arbeitsvertrages heißt es unter anderem, die Klägerin werde ab 01.04.1991 auf unbestimmte Zeit im Angestelltenverhältnis unter Einreihung in die Vergütungsgruppe III BAT eingestellt. Der formulargemäße Arbeitsvertrag enthält hiernach den Zusatz: „(Frau K. ist seit dem 30.08.1976 im Landesdienst tätig).” Auf den Inhalt des geschlossenen Arbeitsvertrages wird Bezug genommen.
Die Klägerin hat in erster Instanz behauptet, unter Berücksichtigung der Vor- und Nacharbeitszeit habe sie eine wöchentliche Arbeitszeit von 18–20 Stunden.
Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe einen Anspruch auf Berücksichtigung der gesamten seit dem 30.08.1976 erbrachten Zeit bei der Dienstzeitberechnung; entgegenstehende Regelungen seien wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz unwirksam.
Die Klägerin hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, die von der Klägerin vom 30.08.1976 bis 31.03.1991 als Teilzeitkraft im öffentlichen Schuldienst zurückgelegten Beschäftigungszeiten als Dienstzeiten gemäß § 19 BAT festzusetzen.
Das beklagte Land hat den Antrag gestellt,
die Klage abzuweisen.
Es hat behauptet, die Klägerin habe unter Berücksichtigung der Vor- und Nacharbeitszeit eine wöchentliche Arbeitszeit von etwa 8,2 Stunden.
Weiterhin hat es die Ansicht vertreten, da die Klägerin erst seit dem 01.04.1991 dem Geltungsbereich des BAT unterfalle, sei die zuvor im Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit im Hinblick auf die Beschäftigungszeit ausgeschlossen. Hierin liege keine sachwidrige Ungleichbehandlung.
Durch Urteil vom 31. Mai 1995 hat das Arbeitsgericht Düsseldorf der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Der Klägerin stehe bei Festsetzung der Beschäftigungszeit aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ein Anspruch auf Berücksichtigung auch derjenigen Zeit zu, die sie vor dem 01. April 1991 im Dienst des beklagten Landes erbracht habe. Durch die Nichtberücksichtigung ...