Leitsatz (amtlich)
Die Nichtberücksichtigung einer unterhälftigen Teilzeitbeschäftigung als Beschäftigungszeit (§ 19 BAT i.V.m. § 3 q BAT i.d. bis zum 31.12.1987 geltenden Fassung) verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG und ist nichtig.
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 03.08.1995; Aktenzeichen 8 Ca 480/94) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Schluß-Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 3. August 1995 – 8 Ca 480/94 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der nachfolgende Tatbestand enthält in Anwendung der §§ 543 Abs. 2 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien; von der Möglichkeit der Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen wird Gebrauch gemacht.
Im übrigen wird hinsichtlich des in erster Instanz als unstreitig zugrundegelegten Sachverhalts sowie des streitigen Sachvortrages und der Anträge der Parteien im ersten Rechtszug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 41 – 43 d.A.) sowie ergänzend auf die Schriftsätze und zu Protokoll gegebenen Erklärungen der Parteien Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat durch Schlußurteil entsprechend dem Antrag der Klägerin vom 03.08.1995 festgestellt, daß die Klägerin seit 10.04.1987 als teilzeitbeschäftigte Lehrerin auf der Grundlage des Bundesangestelltentarifvertrages in der seit 01.04.1991 gültigen Fassung tätig sei und daß die mit Bescheid vom 18.03.1992 für die Zeit vom 10.04.1987 bis 31.03.1991 anerkannten Beschäftigungs- und Dienstzeiten nicht durch Bescheid vom 01. Juni 1994 oder 10. November 1994 wieder aufgehoben worden seien.
Es hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Klage sei zulässig. Ein Rechtsschutzinteresse sei gegeben, weil die Frage, welche Beschäftigungs- und Dienstzeiten dem Arbeitsverhältnis zugrundezulegen seien, u. a. für die Frage der einzuhaltenden Kündigungsfrist oder den Zeitpunkt von Dienstjubiläen Bedeutung habe.
Die Klage sei auch begründet. Die §§ 19,20 BAT in der ab 01.05.1994 geltenden Fassung gälten zwar nicht unmittelbar für die Zeiten vor dem 01.05.1994. Zugunsten der Klägerin greife aber die Überleitungsvorschrift des 69. Änderungstarifvertrages zum BAT vom 25.04.1994 ein. Danach seien zugunsten der Klägerin die Tätigkeitszeiten nach dem 31.12.1987 bei der Berechnung der Beschäftigungs- und Dienstzeiten zu berücksichtigen. Die Klägerin habe die Ansprüche auch fristgemäß geltend gemacht.
Für die Beschäftigungszeiten vom 01.04.1987 bis zum 31.12.1987 sei davon auszugehen, daß der BAT auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung finde, obwohl die Parteien das Gegenteil vereinbart hätten. Diese Abrede habe gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 verstoßen und sei daher nichtig. Für eine ungleiche Behandlung der teilzeitbeschäftigten Klägerin habe kein sachlicher Grund bestanden. Zwar könne nach § 6 Abs. 1 BeschFG 1985 von § 2 Abs. 1 aaO durch Tarifvertrag auch zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Eine solche abweichende Regelung sei jedoch in § 3 q BAT nicht zu sehen. Danach gelte der BAT nicht für Angestellte mit weniger als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten. Für diesen Personenkreis seien die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst nicht abweichend, sondern überhaupt nicht geregelt.
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter.
Sie begründet das Rechtsmittel im Wesentlichen wie folgt:
Der Klägerin fehle es an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse, weil die Feststellung, daß die Klägerin ab 10.04.1987 als teilzeitbeschäftigte Lehrerin auf der Grundlage des BAT in der seit 01.04.1991 geltenden Fassung tätig sei, keinerlei praktische Bedeutung habe; alle eventuellen Ansprüche seien gem. § 76 BAT verfallen bzw. nach § 196 BGB verjährt.
Der Feststellungsantrag sei auch nicht begründet, weil die Parteien wirksam vereinbart hätten, daß der BAT auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung finde. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei auch gem. § 3 q BAT wegen der geringen Anzahl der Unterrichtsstunden in der Zeit bis zum 31.03.1991 nicht unter den Geltungsbereich des BAT gefallen sei. Da die Klägerin nicht tarifgebunden sei, könnten die tarifvertraglichen Regelungen für sie nur kraft ausdrücklicher Vereinbarung im Arbeitsvertrag gelten. Das sei aber nicht der Fall. Die Anwendung des BAT sei auch nicht durch den Vertrag vom 03.08.1993 rückwirkend vereinbart worden.
Aus § 2 Abs. 1 BeschFG ergebe sich kein Anspruch der Klägerin, ab 01.04.1987 auf ihre Beschäftigung den BAT anzuwenden. Sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung seien sowohl in der Arbeitsleistung als auch in den unterschiedlichen Arbeitsplatzanforderungen gegeben. In § 3 q BAT liege eine abweichende Regelung i.S.d. § 6 Abs. 1 BeschFG.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts vom 03.08.1995 abzuändern und...