Gegen dieses Urteil ist aus Gründen des § 72 Abs. 4 ArbGG weder für die klagende Partei noch für d beklagte Partei ein Rechtsmittel gegeben

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

betriebsbedingte Kündigung. Widerspruch des Betriebsrats. ordnungsgemäßer Widerspruch. Sozialauswahl. Hinweis des Betriebsrats auf tarifliche Alterssicherung als Widerspruchsgrund

 

Leitsatz (amtlich)

Ein ordnungsgemäßer Widerspruch iSd § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG liegt auch dann vor, wenn der Betriebsrat, ohne weniger schutzwürdige Arbeitnehmer aufzuzeigen, auf eine tarifliche Regelung zum Schutz älterer Arbeitnehmer (hier = TV zur Verdienstsicherung und zum Arbeitsplatzschutz älterer Arbeitnehmer in der Holzindustrie) verweist, welche für den geschützten Personenkreis eine betriebsbedingte Kündigung nur unter der einschränkenden Voraussetzung zulässt, dass „einem sozial schwächeren Arbeitnehmer der Arbeitsplatz unter Beachtung des § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG erhalten werden muss”.

 

Normenkette

BetrVG § 102 Abs. 3 Nr. 1; KSchG § 1 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Minden (Urteil vom 16.03.2004; Aktenzeichen 1 (2) Ga 5/04)

 

Tenor

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 16.03.2004 – 1(2) Ga 5/04 – wird auf Kosten der Verfügungsbeklagten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Zusammenhang mit einer Mehrzahl betriebsbedingter Kündigungen um den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf vorläufige Weiterbeschäftigung des Verfügungsklägers für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG. Insbesondere ist streitig, ob die Stellungnahme des Betriebsrats den Anforderungen an einen „ordnungsgemäßen” Widerspruch im Sinne des § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG entspricht. Das Schreiben des Betriebsrats lautet, soweit hier von Belang, wie folgt:

„…

Der Kollege/Kollegin ist in der Abteilung Rolladenbau beschäftigt.

Er ist 62 Jahre alt.

In anderen Abteilungen sind andere Arbeitnehmer auf vergleichbaren Arbeitsplätzen beschäftigt, die eine Kündigung sozial nicht so hart treffen würde. Von den Sozialdaten sind Arbeitnehmer auf Grund der Betriebszugehörigkeit, des Alters und des Familienstandes nicht so schutzwürdig.

Des weiteren liegt hier ein Verstoß gegen den „Sondertarifvertrag zur Verdienstsicherung und zum Arbeitsschutz älterer Arbeitnehmer” vor.

…”

Durch Urteil vom 16.03.2004 (Bl. 43 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Verfügungsbeklagte antragsgemäß verurteilt, den Verfügungskläger bis zum Erlass des erstinstanzlichen Urteils im Hauptsacheverfahren als gewerblichen Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, die Voraussetzungen des betriebsverfassungsrechtlich gestützten Weiterbeschäftigungsantrages gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG seien erfüllt. Insbesondere liege ein ordnungsgemäßer Widerspruch des Betriebsrats im Sinne des § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG vor. Mit der Widerspruchsbegründung habe der Betriebsrat der Verfügungsbeklagten gegenüber deutlich gemacht, welche anderen, aus der Sicht des Betriebsrats vergleichbaren und weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer gegebenenfalls an Stelle des Klägers zu entlassen seien. Weder sei es die Aufgabe des Betriebsrats, die aus seiner Sicht vorrangig zu entlassenden Arbeitnehmer namentlich zu benennen, noch seien weitergehende Angaben zur Identifizierbarkeit der weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer erforderlich. Der Betriebsrat habe auch keineswegs allen sechs beabsichtigten betriebsbedingten Kündigungen mit dem gleichen, formularmäßigen Wortlaut widersprochen. Vielmehr werde der Widerspruch beispielsweise im Fall des Verfügungsklägers und zweier Kollegen darauf gestützt, dass nach Betriebszugehörigkeit, Familienstand und Alter weniger schutzwürdige Arbeitnehmer in anderen Abteilungen vorhanden seien. Demgegenüber habe der Betriebsrat seinen Widerspruch hinsichtlich des Arbeitnehmers V5xxxxxxxx allein auf die Sozialkriterien der Betriebszugehörigkeit und des Lebensalters gestützt. Im Fall des Arbeitnehmers R3xxxxx habe der Betriebsrat den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer allein auf die Abteilung Alu-Bau, nicht hingegen auch auf andere Abteilungen erstreckt und weiter nur auf einen einzelnen Arbeitnehmer konkretisiert. Beim Arbeitnehmer R4xxxxx habe der Betriebsrat den Kreis vergleichbarer Arbeitnehmer auf dessen Abteilung Dachbau/Lager und auf andere Abteilungen bezogen – auch dies anders als im Fall des Antragstellers. Beim Arbeitnehmer V5xxxxxxxx habe der Betriebsrat ferner auf dessen universelle Einsetzbarkeit aufgrund der ausgeübten Springertätigkeit abgestellt. Hieraus ergebe sich, dass der Betriebsrat seinen Widerspruch für jede beabsichtigte Kündigung so formuliert habe, dass er jeweils andere, weniger schutzwürdige Arbeitnehmer jedenfalls bestimmbar bezeichnet habe. Damit sei den Erfordernissen an einen ordnungsgemäßen Widerspruch im Sinne des Gesetzes Genüge getan.

Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung wendet sich di...

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