Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur beschränkten Nachprüfbarkeit der Sozialauswahl auf grobe Fehlerhaftigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die beschränkte Nachprüfbarkeit der sozialen Auswahl auf grobe Fehlerhaftigkeit gemäß § 125 I Nr. 2 InsO erstreckt sich auch auf die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen.
2. Die Gruppenbildung ist bei Vorliegen sachlicher, nachvollziehbarer Gründe (hier Qualifikationsunterschiede aufgrund interner Schulung und vielseitigere Verwendbarkeit) nicht grob fehlerhaft (im Anschluss an BAG vom 07.05.1998 – 2 AZR 536/97 – NZA 1998, 933 und vom 28.08.2003 – 2 AZR 368/02 – DB 2004, 604).
Normenkette
InsO § 125 Abs. 1 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Urteil vom 02.07.2003; Aktenzeichen 1 Ca 3363/02) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 02.07.2004 – 1 Ca 3363/02 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich mit ihrer am 01.10.2002 beim Arbeitsgericht Iserlohn eingegangenen Klage gegen die durch den Beklagten mit Schreiben vom 30.09.2002 ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2002.
Die heute 37-jährige Klägerin war seit dem 01.01.1990 als Maschinenarbeiterin im Betrieb H. der Firma S. tätig. Sie erzielte eine monatliche Vergütung von 2.000,00 EUR brutto. Die Klägerin ist verheiratet, ihr Ehemann berufstätig.
Über das Vermögen der Firma S. wurde am 01.09.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser schloss am 26.09.2002 mit dem Betriebsrat der Insolvenzschuldnerin einen Interessenausgleich mit Namensliste, auf der sich auch der Name der Klägerin befindet. In dem Interessenausgleich wird die wirtschaftliche Situation der Insolvenzschuldnerin beschrieben und ausgeführt, eine Fortführung des Geschäftsbetriebes mit dem Ziel einer übertragenden Sanierung sei nur durch konsequente Einsparung von Produktions-/Verwaltungs- und namentlich Personalkosten möglich. Der Beklagte beabsichtige daher, von den gegenwärtig insgesamt tätigen 121 Arbeitnehmern am Standort H. 29 gewerblichen Arbeitnehmern und neun Arbeitnehmern aus dem kaufmännischen Bereich zu kündigen. Der Interessenausgleich verhält sich ferner über die Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG und zu den gemäß §§ 17 ff KSchG abzugebenden Massenentlassungsanzeigen.
Der Beklagte wandte sich mit Schreiben vom 20.09.2002 an den Betriebsrat der Insolvenzschuldnerin und teilte ihm unter Bezugnahme auf die am 19.09.2002 stattgefundenen Beratungen und Informationen mit, dass es unumgänglich sei, 38 der 121 bestehenden Arbeitsverhältnisse aufzulösen. Hinsichtlich der auszusprechenden Kündigung fügte der Beklagte die mit dem Betriebsrat abgestimmte Namensliste bei.
Mit Schreiben vom 25.09.2002 erklärte der Betriebsrat, dass er zu allen auf der separaten Namensliste aufgeführten Kündigungen angehört worden sei und gegen die geplanten Kündigungen keine Bedenken äußere.
Zur Frage der sozialen Auswahl hat der Beklagte vorgetragen, die sozialen Kriterien seien in der Weise bewertet worden, dass für jedes bis zum 30.06.2002 vollendete Lebensjahr ein Sozialpunkt, max. 55 Punkte angerechnet worden seien, für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit zwei Punkte bis zum zehnten Jahr, ab dem elften Jahr drei Punkte und vier Punkte für jedes unterhaltsberechtigte Kind. Hieraus habe sich für jeden einzelnen Arbeitnehmer eine Gesamtpunktzahl ergeben, welche eine Vorauswahl dargestellt und nach abschließender individueller Einzelfallprüfung zur Auswahl der letztlich zu kündigenden Mitarbeiter geführt habe. Die auf diese Weise erstellte und dem Betriebsrat vorgelegte Personalliste habe neben der Zuordnung zu den Kostenstellen auch Angaben über die Tätigkeit jedes einzelnen Mitarbeiters enthalten, woraus sich zugleich die Vergleichbarkeit der einzelnen Mitarbeiter ergeben habe.
Die Klägerin hält die Kündigung wegen fehlerhaft getroffener Sozialauswahl für sozialwidrig. Sie hat vorgetragen, an ihrer Stelle hätten die weniger sozial schutzbedürftige Mitarbeiterinnen S., B. und L. entlassen werden müssen.
Dazu hat der Beklagte vorgetragen, die Mitarbeiterin S. sei mit der Klägerin nicht vergleichbar, weil sie im Unterschied zu der Klägerin zu 70 % eine kombinierte Montage/Verpackungstätigkeit ausgeübt habe. Zu der Montage und Verpackung von oberflächenveredelten Teilen gehöre ein besonderes Geschick, welches besonders geschult werden müsse. Derartige Tätigkeiten habe die Klägerin nie verrichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 02.07.2003 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Kündigung sei gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Die von dem Beklagten getroffene soziale Auswahl sei gemäß § 125 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht grob fehlerhaft. ...