Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Krankheit und/oder Berufsunfähigkeit. Karenzentschädigung
Leitsatz (amtlich)
Da die Aushändigung der von den Parteien unterzeichneten Urkunde im Sinne des § 74 Abs. 1 HGB nur den Informationszwecken des Arbeitnehmers dient, ist es dem Arbeitgeber verwehrt, sich bei unterbliebener Aushändigung auf eine hieraus resultierende Formunwirksamkeit zu berufen. Die Karenzentschädigung ist die Gegenleistung für die Wettbewerbsenthaltung. Aus dem Umkehrschluss zu § 74 c Abs. 1 Satz 3 HGB folgt, dass andere Gründe der objektiven Unmöglichkeit nicht den Wegfall der Karenzentschädigungspflicht bewirken.
Normenkette
HGB § 74 Abs. 1, § 74c Abs. 1 S. 3, Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Siegen (Urteil vom 11.04.2003; Aktenzeichen 3 Ca 1667/02) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 11.04.2003 – 3 Ca 1667/02 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für den Zeitraum 01.04.2002 bis 09.02.2003 eine monatliche Karenzentschädigung in Höhe von 2.666,35 EUR zu zahlen.
Der am 21.03.14xx geborene Kläger war in der Zeit vom 01.05.1998 bis zum 31.03.2002 als Verkaufsleiter für die Beklagte tätig. Für seine Tätigkeit erhielt er ein monatliches Fixum i. H. v. 8.800,00 DM und eine Umsatzprovision von 1 %. Nachdem der Kläger seit dem 01.01.2001 arbeitsunfähig erkrankt ausgefallen war kündigte die Beklagte mit dem Kläger am 09.02.2002 zugegangenem Schreiben vom 07.02.2002 das zu ihm bestehende Arbeitsverhältnis unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfrist auf. Zur Begründung nahm sie Bezug auf die vom Kläger mitgeteilte Berufsunfähigkeit. Gleichzeitig verzichtete die Beklagte auf das im §§ 7 der Anstellungsverträge vom 02.05.1998 und 01.11.1998 beschriebene nachvertragliche Wettbewerbsverbot. § 7 dieser Verträge hat folgenden Wortlaut:
Der Angestellte verpflichtet sich, während eines Zeitraumes von einem Jahr nach Beendigung des Dienstverhältnisses weder ein Geschäft zu errichten noch zu betreiben, noch sich unmittelbar oder mittelbar an einem solchen zu beteiligen, noch für ein solches unmittelbar oder mittelbar tätig zu sein.
Für die Zeit des Wettbewerbsverbots steht ihm die Hälfte des bisher bezogenen Gehaltes zu, das jeweils am Monatsschluss nachträglich zahlbar sein soll. Er muss sich jedoch gemäß § 74 c HGB auf die fällige Entschädigung dasjenige anrechnen lassen, was er in dieser Zeit durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erworben oder zu erwerben böswillig unterlassen hat; hierüber hat er auf Verlangen Auskunft zu erteilen.
Der Angestellte verpflichtet sich zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 5.000,00 DM für jeden Fall einer Zuwiderhandlung.
Das Wettbewerbsverbot wird unwirksam, wenn der Angestellte aus einem wichtigen Grund berechtigt ist, den Vertrag aufzulösen und innerhalb eines Monats erklärt, dass er sich an die Vereinbarung nicht gebunden hält. Hat der Angestellte einen wichtigen Grund zur Kündigung gegeben, so fällt die Entschädigung während der Dauer des Wettbewerbsverbots weg.
Diese Verträge wurden von beiden Parteien eigenhändig unterschrieben. Ob der Kläger jemals eine Originalausfertigung dieses Vertrages erhalten hat, ist – entgegen der Versicherung im Anstellungsvertrag – unter den Parteien umstritten. Der Kläger verfügt zumindest über eine Vertragskopie.
Obwohl der Kläger weder eine BU-Rente noch Arbeitslosengeld bezieht – insoweit wird Bezug genommen auf den Widerspruchsbescheid der BfA vom 05.03.2003 und auf den ablehnenden Bescheid des Arbeitsamtes F2xxx vom 16.05.2002 – verweigert die Beklagte die Karenzentschädigung. Sie hat vorgerichtlich zur Begründung ihrer Weigerung die Auffassung vertreten, sie sei von der Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung befreit, zumal die Berufsunfähigkeit des Klägers einen wichtigen Grund im Sinne der Wettbewerbsvereinbarung beschreibe. Im Übrigen übe sie ihr Zurückbehaltungsrecht aus den Gründen des § 74 c Abs. 1 HGB aus. Der Kläger komme seiner Nachweispflicht bezüglich des Bezugs von Leistungen zumindest der Sozialversicherungsträger nicht nach. Schließlich bezweifle sie eine formwirksame Begründung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots.
Da die Beklagte bei dieser Weigerung verblieb, verfolgt der Kläger mit der beim Arbeitsgericht Siegen am 03.09.2002 erhobenen Zahlungsklage die inzwischen fällig gewordene Karenzentschädigung.
Mit Urteil vom 11.04.2003 hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung einer Gesamt-Karenzentschädigung in Höhe von 27.520,54 EUR nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, die Beklagte schulde dem Kläger die vertraglich versprochene Karenz. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot sei von den Parteien rechtswirksam begründet worden. Da der maßgebliche, von den Parteien unterschriebene Vertrag, zur Akte gereicht sei, habe das Gericht k...