Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung, Bildung von Vergleichsgruppen in einer Auswahlrichtlinie
Leitsatz (amtlich)
Auswahlrichtlinien zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat können auch Vergleichsgruppen im Rahmen der sozialen Auswahl festlegen, müssen dabei aber die Wertung des § 1 III 1,2 KSchG beachten.
Der Wortlaut des § 1 IV KSchG spricht dafür, auch die Überprüfung, ob die Festlegung von Vergleichsgruppen der Wertung des § 1 III 1 KSchG entspricht, auf grobe Fehlerhaftigkeit zu beschränken.
Zu den den Betriebsparteien im Rahmen von Auswahlrichtlinien zustehenden Beurteilungsspielraum können auch betriebliche Erfahrungen oder die Austauschbarkeit von Arbeitnehmern einfließen.
Von § 1 III 2 KSChG ist eine Regelung in Auswahlrichtlinien gedeckt, wonach nicht mehr als ein bestimmter Prozentsatz von Arbeitnehmern eines Arbeitsbereichs im Rahmen der Sozialauswahl ausgetauscht werden kann. Auch hierbei sind betriebliche Erfahrungen der Betriebspartner zu benachrichtigen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 3 S. 1 Fassung 1969-08-25, S. 2 Fassung 1969-08-25, Abs. 4; BetrVG § 95
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 28.03.2001; Aktenzeichen 3 Ca 2118/00) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 28.03.2001 – Az.: 3 Ca 2118/00 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung sowie einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.
Der am 10.03.1970 geborene, verheiratete und für ein Kind unterhaltsverpflichtete Kläger war seit dem 23.08.1991 in dem Chemiewerk der Beklagten in H2xx-U1xxxxx als Spinnmaschinenoperator in der Abteilung Nylon, die insgesamt 15 Spinnmaschinen umfasste, beschäftigt.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die Tarifverträge für die chemische Industrie Anwendung.
Eingruppiert war der Kläger in die Entgeltgruppe E5 des Entgeltgruppenkatalogs.
Bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden in der Woche erzielte der Kläger zuletzt ein monatliches Bruttoeinkommen von 5.469,00 DM.
Die Beklagte beschäftigte in ihrem Werk etwa 1000 Arbeitnehmer.
Es besteht ein Betriebsrat.
Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis des Klägers bereits mit Schreiben vom 29.09.1994 zum 31.10.1994 gekündigt.
Im Verfahren 4 Ca 2030/94 schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht Hamm unter dem 27.04.1995 einen Vergleich, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29.09.1994 aus krankheitsbedingten Gründen mit dem 31.10.1994 geendet hat. Ab dem 01.05.1995 wurde der Kläger erneut als Spinnmaschinenoperator eingestellt. Ziffer 3) des Vergleichs legte fest, dass die Dauer der Betriebszugehörigkeit des am 31.10.1994 beendeten Arbeitsverhältnisses auf das neue Arbeitsverhältnis ab 01.05.1995 anzurechnen ist. Gemäß Ziffer 5) des Vergleichs sollte der Zeitraum zwischen dem 01.11.1994 und dem 30.04.1995 als Weiterbeschäftigungsverhältnis angesehen werden.
Nachdem bereits am 18.09.1994 die Ergebnisse einer weltweiten Nylon-Modernisierungs-Studie vorgestellt worden waren, deren Ziel in einer Anpassung und Konsolidierung der Kapazitäten bestand, um die Wettbewerbsfähigkeit von Nylon in allen Regionen der Welt langfristig zu sichern, wurde bezogen auf den Standort in H2xx-U1xxxxx die Stilllegung der gesamten Nylonfasern-Produktion zum 31.12.2000 beschlossen. Betroffen von dieser Stilllegungsmaßnahme waren insgesamt 497 Arbeitsplätze, davon mehr als 300 im Produktionsbereich.
Unter dem 23.03.1998 schlossen die Beklagte und der bei ihr bestehende Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung Nr. 192/98 über die „Auswahl von Mitarbeiter/-innen für Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen aus betriebsbedingten Gründen gemäß Interessenausgleich Betriebsvereinbarung Nr. 187/97 vom 24.06.1997.”
Ziffer V legte die dem Interessenausgleich und den Auswahlrichtlinien zugrunde liegenden Gruppenbildungen vergleichbarer Mitarbeiter zur Auswahl von Mitarbeitern in einer Anlage I fest. Die Anlage I legte unter Ziffer 1. für die gewerblichen Mitarbeiter in einer Gruppe G01 alle Mitarbeiter der Entgeltgruppen E2-E5 und in einer Gruppe G02 alle Mitarbeiter der Regelwarten, CP, DCS und des Kraftwerks fest.
Darüber hinaus vereinbarten die Beklagte und der Betriebsrat unter Ziffer V dieser Betriebsvereinbarung, dass aus Gründen der Aufrechterhaltung der Produktion in allen verbleibenden Produktbereichen eine maximale Belastung dieser Bereiche durch einen stattfindenden Austausch von Mitarbeitern gemäß Anlage II definiert ist. Vereinbart war unter anderem eine Anlage „Austausch im MA-G01”.
Darüber hinaus vereinbarten die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat unter dem 02.04.1998 eine Betriebsvereinbarung G-6/81 „Auswahlrichtlinien”, nach deren Ziffer X Auswahlkriterien festgelegt und mit Punktwerten bemessen wurden.
Vergeben wurden für volle Lebensja...