Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Tantieme als reines betriebliches Entgelt. Kürzung der Tantieme um Zeiten ohne Arbeitsleistung
Leitsatz (amtlich)
Die für ein ganzes Jahr vereinbarte Tantieme, deren Zahlung vom Erreichen eines vorher definierten Zieles abhängig sein soll, ist bei unterjährigem Ausscheiden des/der Arbeitnehmer*in aus dem Arbeitsverhältnis anteilig zu kürzen, selbst wenn der Zeitpunkt, bis zu dem das Ziel zu erreichen war (und erreicht worden ist), vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses bereits verstrichen war.
Inhaltsangabe:
Abgrenzung der Vereinbarung einer Tantieme von der Vereinbarung eines Akkordlohns oder einer Provision.
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird eine jährliche Zielvereinbarung mit Zielerreichungsprämie (Tantieme) vereinbart, geht es um eine reine Entgeltabrede. Denn es soll keine Betriebstreue belohnt werden (Gratifikation) und die Verabredung enthält auch keinerlei Mischcharakter aus Betriebstreue und geleisteter Dienste.
2. Bei der Tantieme handelt es sich um Arbeitsentgelt im vertraglichen Synallagma. Damit ist die Entstehung des Anspruchs nicht nur abhängig von der Zielerreichung, sondern auch von der Erbringung der Arbeitsleistung. Fehlt diese wegen Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis für einige Monate, ist die Tantieme deshalb anteilig nach dem pro-rata-temporis-Prinzip zu kürzen.
Normenkette
BGB §§ 611a, 133, 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1, § 614 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 12.01.2022; Aktenzeichen 2 Ca 1549/21) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 12.01.2022 - 2 Ca 1549/21 - wird zurückgewiesen.
- Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger aus einem beendeten Arbeitsverhältnis über die bereits erhaltene variable Vergütung hinaus eine weitere variable Vergütung zusteht. Während die Beklagte die Auffassung vertritt, die variable Vergütung sei anteilig für die Zeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zu zahlen, begehrt der Kläger die Zahlung des Jahresbetrages in voller Höhe.
Der Kläger war bei der Beklagten in der Zeit vom 01.01.2001 bis zum 31.07.2021 beschäftigt. In der von beiden Parteien unterzeichneten Arbeitsvertragsurkunde findet sich eine Regelung zur Zahlung einer variablen Vergütung. Dort heißt es wörtlich:
Die Gesellschaft zahlt ... pro Geschäftsjahr eine variable Tantieme, deren Höhe die Gesellschaft bestimmt. ... Nach Ausspruch einer durch Herrn H oder durch die Gesellschaft veranlassten Kündigung bestehen Ansprüche auf eine variable Tantieme nur für die Zeit vor Zugang der Kündigungserklärung.
Zwischen den Parteien ist in rechtlicher Hinsicht unstreitig, dass es sich bei dieser Tantieme um reines Entgelt handelt ohne jeden Gratifikationscharakter. Die Parteien schlossen im März 2021 die hier relevante Zielvereinbarung für den Kläger. Grob zusammengefasst ging es dort um zwei individuelle Ziele, denen als Zielerreichungszeitraum die Zeit vom 01.01.2021 bis spätestens 31.07.2021 zugrunde lag, also genau bis zu dem Datum, zu dem der Kläger später aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden war. Dabei ist zwischen den Parteien streitig, ob im Rahmen der Gespräche zur Zielvereinbarung der bevorstehende Renteneintritt des Klägers Thema gewesen ist. Jedenfalls erfüllte der Kläger die individuellen Ziele zu 120 %. Mit Schreiben vom 02.07.2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Kläger erhalte für das Jahr 2021 die Leistungskomponente anteilig für sieben Monate. Die Ergebniskomponente werde am Ende des Geschäftsjahres bewertet und ausgezahlt. Auf dieser Grundlage erhielt der Kläger für das Jahr 2021 eine Gesamttantieme in Höhe von 10.737,30 EUR brutto (= 5.979,25 netto).
Mit der seit dem 13.09.2021 anhängigen Klage hat der Kläger seine Forderung weiter verfolgt, die volle Jahrestantieme in Höhe von insgesamt 18.406,80 EUR brutto zu erhalten. Die bereits gezahlten 5.979,25 netto rechne er auf diesen Betrag an. Zum Zeitpunkt der Zielvereinbarung sei der Zeitpunkt seines rentenbedingten Ausscheidens noch nicht klar gewesen. Den Zeitpunkt habe er seinem Vorgesetzten erst am 20.05.2021 mitgeteilt. Er vertrete die Auffassung, dass ihm die Leistungskomponente in voller Höhe zustehe. Er gehe davon aus, dass die Tantieme-Zahlungen für die erreichten Ziele geleistet würden und nicht für einen bestimmten Zeitraum. Er habe die Ziele erreicht und deshalb stehe ihm der volle Betrag zu. Die arbeitsvertragliche Regelung zur zeitanteiligen Auszahlung könne nur die Ergebniskomponente betreffen und nicht die Leistungskomponente, also den Anteil der von seiner persönlichen Performance abhängig gemacht worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 18.406,80 EUR brutto abzüglich bereits erhaltener 5.979,25 EUR netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.08.2021 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Verteid...