Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechte des Arbeitnehmers hinsichtlich der Auswahl des seitens des Integrationsamts an einem BEM-Gespräch teilnehmenden Mitarbeiters. Anspruch des Arbeitnehmers auf Teilnahme eines Rechtsanwalts. Schadensersatzansprüche einer behinderten Arbeitnehmerin wegen der Diskussion verschiedener Vorschläge betreffend ihren zukünftigen Einsatz
Leitsatz (amtlich)
1. Welche(r) Mitarbeiter(in) des Integrationsamts an einem BEM-Gespräch nach § 167 II 4 SGB IX teilnimmt, bestimmt das Amt selbst, nicht aber der/die Arbeitnehmer(in), um den/die es bei dem BEM geht.
2. Der/die betroffene Arbeitnehmer(in) hat in der Regel keinen Anspruch darauf, ihre(n)/seine(n) Rechtsanwalt(-in) am BEM Gespräch nach § 167 II SGB IX teilnehmen zu lassen.
3. Der im Rahmen eines BEM-Gesprächs geäußerte Vorschlag des Personalleiters einer Sparkasse, eine bisher als Kundenberaterin eingesetzte Mitarbeiterin auf einen gleichwertig eingruppierten Arbeitsplatz im Kreditarchiv umzusetzen bzw. zu versetzen, stellt regelmäßig schon keine Vertragspflichtverletzung dar, die einen Schadensersatzanspruch begründen könnte. Dasselbe gilt für den Vorschlag gegenüber der einem rentennahen Jahrgang angehörenden und schwerbehinderten Mitarbeiterin einmal ein Gespräch mit dem Mitarbeiter zu suchen, der für das sog. Freiwilligenprogramm zuständig ist, in dessen Rahmen Aufhebungsverträge vermittelt werden.
Normenkette
SGB IX § 167; AGG §§ 1, 15; BGB § 280
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 10.07.2019; Aktenzeichen 5 Ca 1905/18) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 10.07.2019 in Sachen 5 Ca 1905/18 EU wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz weiter um Schadenersatzansprüche der Klägerin, einen Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG, einen Prämienanspruch für das Jahr 2017, die Durchführung eines Wiedereingliederungsplanes vom 22.05.2018 sowie um Modalitäten der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements.
Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Bonn dazu bewogen haben, der Klage nur insoweit stattzugeben, als die Beklagte verpflichtet wurde, ein betriebliches Eingliederungsmanagement gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX mit der Klägerin unter Hinzuziehung des Betriebsrats, der Schwerbehindertenvertretung und des Integrationsamtes E durchzuführen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 10.07.2019 Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Klägerin am 26.07.2019 zugestellt. Die Klägerin hat hiergegen am 13.08.2019 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 26.10.2019 - am 23.10.2019 begründet.
Die Klägerin und Berufungsklägerin vertritt die Ansicht, sie habe einen Anspruch darauf, dass bei dem nach dem Urteil des Arbeitsgerichts erneut durchzuführenden betrieblichen Eingliederungsmanagement seitens des Integrationsamtes die Leiterin der Fachstelle für schwerbehinderte Menschen im Arbeitsleben beim Kreis E , Frau E , teilzunehmen habe. Weiter ist die Klägerin der Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet, bei der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements die Anwesenheit ihres Prozessbevollmächtigten, Herrn Rechtsanwalt , zu gestatten. Der Arbeitnehmer sei "Herr des Verfahrens" und könne daher auch bestimmen, wer teilnehmen dürfe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das BEM-Gespräch als Vorstufe zu einer krankheitsbedingten Kündigung mit der Situation einer Verdachtskündigung zu vergleichen sei. Auch seien beim BEM-Gespräch ihre Interessen im Hinblick auf den Schutz der erhobenen und verwendeten Daten zu berücksichtigen.
Die Klägerin hält des Weiteren daran fest, dass die Beklagte ihr für den Zeitraum Juli 2018 bis Mai 2019 unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes ihre Monatsvergütung abzüglich des von ihr bezogenen Krankengeldes und Arbeitgeberzuschusses hierzu nachzuzahlen habe. Durch die Pflichtverletzungen der Beklagten im Zusammenhang mit dem ursprünglichen BEM-Verfahren sei bei ihr, der Klägerin, eine schwere Depression ausgelöst worden. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen, sie, die Klägerin, im Rahmen ihres Direktionsrechts in das Kreditarchiv zu versetzen. Die Tätigkeit im Kreditarchiv sei aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen für sie nicht geeignet. Zudem sei die Tätigkeit nicht gleichwertig, da die im Kreditarchiv tätigen Mitarbeiter regelmäßig nur nach EG 6, und nicht wie sie, die Klägerin, nach EG 8, vergütet würden. Ferner entfalle im Kreditarchiv der Kundenkontakt.
Da die Beklagte vorsätzlich gegen die Förderpflichten des § 167 Abs. 2 SGB IX verstoßen habe, sei sie auch zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 AGG verpflichtet. Der Verstoß der Beklagten sei darin zu sehen, dass diese kein ordnung...