BEM-Verfahren kann einvernehmlich vorzeitig beendet werden


BEM-Verfahren kann einvernehmlich vorzeitig beendet werden

Ein nicht zum Abschluss gebrachtes Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) kann einer krankheitsbedingten Kündigung dann nicht entgegenstehen, wenn es einvernehmlich von Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorzeitig beendet wurde. Allerdings muss dafür nach einem Urteil des LAG Düsseldorf der Arbeitnehmer die notwendigen Kenntnisse über das BEM-Verfahren besitzen, um beurteilen zu können, ob es beendet oder fortgesetzt werden sollte.

Der Fall: Zulässige krankheitsbedingte Kündigung

Umstritten ist eine krankheitsbedingte Kündigung. Im Jahr 2019 war der gegen die Kündigung klagende Arbeitnehmer in neun Zeiträumen - erstmals ab dem 12.07.2019 - an insgesamt 36 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt, für die die beklagte Arbeitgeberin 3.053,64 € brutto an Entgeltfortzahlung entrichtete. Im Jahr 2020 war der Kläger in 13 Zeiträumen an insgesamt 82 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt, an denen die Beklagte Entgelt i.H.v. 6.955,50 € brutto fortzahlte.

Im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses wandte der Kläger u.a. ein, dass ein zwar begonnenes BEM nicht zu Ende geführt worden ist. Der Arbeitgeber steht auf dem Standpunkt, dass das BEM-Verfahren im vorliegenden Fall einvernehmlich vorzeitig beendet wurde und damit der Kündigung nicht als nicht abgeschlossenes BEM entgegenstehe.

Während das Arbeitsgericht Düsseldorf noch dem Kläger Recht gab, hat das LAG Düsseldorf mit seinem Urteil vom 17.05.2022 (Az. 14 Sa 825/21) die Kündigungsschutzklage abgewiesen.

LAG: Ein BEM kann auch vorzeitig einvernehmlich beendet werden

Ein zentraler Aspekt dieses Kündigungsrechtsstreits war die Frage, ob das für eine krankheitsbedingte Kündigung stets als erforderlich angesehene BEM hier korrekt zu einem Ende gebracht wurde oder nicht. Das wurde vom Arbeitnehmer bestritten. Es herrschte Übereinstimmung dahingehend, dass das eingeleitet BEM-Verfahren nicht zu einer konkreten Übereinkunft geführt hat, wie zukünftig mit dem offenkundig labilen Gesundheitszustand des Arbeitnehmers umzugehen ist. Der Arbeitgeber berief sich jedoch darauf, dass das BEM-Verfahren von den beteiligten Parteien vorzeitig einvernehmlich beendet worden sei.

Die Arbeitsvertragsparteien können - so das LAG - ein BEM einvernehmlich abschließen und zwar nicht erst, wenn der vorgesehene Suchprozess durchgeführt ist, sondern auch bereits dann, wenn sie sich einig sind, dass der Suchprozess nicht weiter durchgeführt werden soll. Ein tatsächlich nicht durchgeführtes BEM könne sich dann als Versuch eines ordnungsgemäß durchgeführten BEM erweisen, wenn der Arbeitgeber hinreichend die Initiative dazu ergriffen hat. Der Arbeitgeber verletze seine Pflichten aus § 167 Abs. 2 SGB IX nicht, wenn er den Prozess anstößt und dem Arbeitnehmer die Ziele des BEM und die beabsichtigte Datenverarbeitung aufgezeigt hat, aber der derart informierte Arbeitnehmer sich auf das freiwillige BEM-Verfahren nicht einlässt. Dies könne man nun auf die Situation übertragen, dass ein BEM zwar begonnen, aber vor Erreichung seiner Ziele einvernehmlich abgeschlossen wird.

Es kommt dann allerdings darauf an, ob der Arbeitnehmer die notwendigen Kenntnisse über das BEM-Verfahren besaß, um beurteilen zu können, ob es beendet oder fortgesetzt werden sollte. Vom Vorliegen dieser notwendigen Kenntnisse könne ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach § 167 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auf die Ziele des BEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat. Dieser Hinweis erfordert, so das LAG,  

  • eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgeht. Dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann.
  • Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes BEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten - als personenbezogene Daten besonderer Kategorie erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden.

Diese notwendigen Kenntnisse besaß der Kläger nach Ansicht des LAG, als das BEM einvernehmlich abgeschlossen wurde. Sie wurden ihm vor allem durch das Einladungsschreiben vom 23.07.2020 vermittelt.

Wichtig für die Praxis: Klare Kommunikation!

Dieser Fall macht die Fallstricke, die für alle Beteiligten beim BEM-Verfahren lauern, deutlich. Hat der Arbeitgeber den Eindruck, dass der Arbeitnehmer an einer Fortsetzung des BEM-Verfahrens, dem er ursprünglich zugestimmt hat, nun kein Interesse mehr hat, so sollte er dafür Sorge tragen, dass dem Verfahrensprotokoll eine entsprechende Einlassung des Arbeitnehmers zu entnehmen ist. Sinnvoll ist es sicher, den Arbeitnehmer auch nochmals ausdrücklich dahingehend zu belehren, dass ein vorzeitig einvernehmlich beendetes BEM-Verfahren wie ein abgeschlossenes BEM-Verfahren anzusehen ist - mit allen daraus erwachsenden Konsequenzen!