Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung wegen Unbestimmtheit des Kündigungszeitpunkts. Unwirksamkeit einer Kündigung wegen nicht erkennbarem Enddatum. Kündigungsende bei fristloser Kündigung mit Verweis auf tarifliche Regelung zur ordentlichen Kündigung unwirksam
Leitsatz (amtlich)
Eine "außerordentliche Kündigung", die auf die tariflichen Regelungen zur ordentlichen Kündigung Bezug nimmt, ist mit Blick auf das vom Kündigenden gemeinte Beendigungsdatum unbestimmt und daher insgesamt unwirksam.
Normenkette
KSchG § 1; BGB §§ 626, 314; TVöD § 34; BGB § 241 Abs. 2; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Entscheidung vom 25.11.2020; Aktenzeichen 3 Ca 1890/20) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 25.11.2020 - 3 Ca 1890/20 wird zurückgewiesen.
- Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung.
Der Kläger ist 54 Jahre alt, er ist bei der Beklagten seit dem 04.06.1996 als Luftsicherheitsassistent beschäftigt. Dafür erhielt er zuletzt vereinbarungsgemäß ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.077,85 EUR. Der Kläger ist schwerbehindert und auf der Grundlage einer unstreitig anwendbaren Tarifvertragsnorm wegen seines Alter und der von ihm zurückgelegten Dienstzeit nur noch außerordentlich kündbar.
In der Dienststelle der Beklagten, in der der Kläger tätig ist, sind mehr als zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt. Unter dem Datum des 03.12.2015 stellte der arbeitsmedizinische Dienst fest, dass der Kläger die Anforderungen an die Luftsicherheitsassistenten nicht mehr für einen unbefristeten Zeitraum erfülle. Es komme aber eine weitere Beschäftigung mit Monitorüberwachung in Betracht oder mit leichteren Bürotätigkeiten. Es solle somit eine sitzende Körperhaltung angestrebt werden, nicht Gehen oder Stehen von mehr als 15 Minuten, kein Heben und Tragen von höherer Gewichten als 5 kg, keine Zwangshaltungen, kein Knien, keine gebückte Körperhaltung, kein Außendienst, keine Exposition von Witterungsverhältnissen.
Seit dem 03.04.2018 ist der Kläger arbeitsunfähig. Genehmigt wurde ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.12.2018 bis 31.10.2021.
Am 01.09.2020 ging bei der Beklagten ein Schreiben der Staatsanwaltschaft ein, aus dem sich Betrugsvorwürfe gegenüber dem Kläger ergaben. Diese Vorwürfe sind nicht Gegenstand des arbeitsrechtlichen Streits zwischen den Parteien und stehen in keinem Zusammenhang mit der hier streitigen Kündigung. Durch dieses Schreiben erfuhr die Beklagte aber, dass der Kläger während der ihr gegenüber angezeigten Arbeitsunfähigkeit eine Tätigkeit als Facility-Manager ausgeübt hatte. Auf Antrag der Beklagten vom 03.09.2020 wurde durch sie ein Zustimmungsverfahren beim Landschaftsverband Rheinland eingeleitet. Im Rahmen dieses Verfahrens äußerte der Kläger, er sei wegen einer Depression und psychischer Beeinträchtigungen für die Tätigkeit bei der Beklagten arbeitsunfähig; als Facilitymanager könne er aber noch arbeiten. Bei der von ihm zu erledigenden Arbeit handele es sich um das Aus- und Einstellen der Mülltonnen, um Reinigungsarbeiten, um Rasenmähen, um Unkraut zupfen, um Kehren, um Wässern und um Botengänge. Am 20.09.2020 teilte der Landschaftsverband mit, dass von der Fiktion der Zustimmung auszugehen sei. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 22.09.2020, das dem Kläger am gleichen Tag zugegangen ist. Wörtlich heißt es in dem Kündigungsschreiben:
"Hiermit kündige ich das mit Ihnen seit dem 04.06.1996 bestehende Beschäftigungsverhältnis bei der B S A gemäß § 34 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) außerordentlich."
Mit der seit dem 25.09.2020 anhängigen Kündigungsschutzklage hat sich der Kläger gegen dieses Kündigungsschreiben gewandt. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, die Tätigkeiten als Facilitymanager könne er ausführen, ohne dass seine Gesundheit oder eine mögliche Genesung beeinträchtigt würden. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sei deshalb nicht ersichtlich.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 22.09.2020 nicht aufgelöst worden ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, durch seine Tätigkeit als Facilitymanager habe der Kläger seine Gesundheit massiv gefährdet. Im Falle der Verbesserung des Gesundheitszustandes sei der Kläger jedenfalls verpflichtet gewesen, ihr seine Arbeitskraft anzubieten. Es komme nämlich eine Tätigkeit an der mehrstufigen Reisegepäckkontrollanlage in Betracht. Nach alledem sei die außerordentliche Kündigung wirksam; sie sei als fristlose Kündigung gemeint gewesen; so habe es offensichtlich auch der Kläger verstanden. Jedenfalls solle sie als außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist gelten.
Das Arbeitsgericht Siegb...