Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit von MTV und ERTV der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie in Mecklenburg-Vorpommern. Kein Verstoß gegen Art. 3 GG bei unterschiedlicher Höhe von Nachtarbeitszuschlägen innerhalb und außerhalb der Schicht. Maßgeblichkeit der tatsächlichen Tätigkeit und des konkreten Anforderungsprofils für Eingruppierung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Festlegung unterschiedlich hoher Zuschläge für Nacharbeit, die außerhalb von Schichten erbracht wird (50 %), und Schichtarbeit, die während der Nachtzeit geleistet wird (25 %), im Manteltarifvertrag der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie in Mecklenburg Vorpommern vom 02.06.2009 verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
2. Es besteht ein sachlicher Grund für diese Differenzierung, so dass die Tarifvertragsparteien den ihnen bei ihrer Normsetzung zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten haben.
3. Für die Eingruppierung nach dem Entgeltrahmentarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie in Mecklenburg-Vorpommern ist nicht die Berufsbezeichnung, sondern sind die Art der verrichteten Tätigkeit und die an den Arbeitnehmer gestellten Anforderungen maßgebend.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; ArbZG § 6 Abs. 5; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 22.01.2020; Aktenzeichen 11 Ca 251/19) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund - Kammern Neubrandenburg- vom 22.01.2020 zum Aktenzeichen 11 Ca 251/19 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird wegen des Streits über die Höhe der Nachtschichtzuschläge zugelassen; im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um tarifliche Zuschläge für nachts im Zeitraum von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr geleistete Arbeit nach dem Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie in Mecklenburg-Vorpommern vom 2.6.2009 (im Folgenden: MTV) sowie Eingruppierung.
Die im April 1965 geborene Klägerin ist gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag (Bl. 5 ff. d. A.) bei der Beklagten ab dem 23.9.1996 als Produktionsmitarbeiterin im Betrieb in B-Stadt, in welchem Kartoffelprodukte und Snackpots hergestellt werden, beschäftigt. Der Arbeitsvertrag lautet unter anderem:
"3. Arbeitsentgelt
Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit unter gleichzeitiger Einstufung in die Bewertungsgruppe 3 des für die P. GmbH jeweils geltenden Tarifvertrages von brutto
DM___2231,00___ insgesamt
davon DM_____________Tarifentgelt
zuzügl. DM_____________freiwillige Zulage
In Worten Zweitausendzweihunderteinunddreißig Deutsche Mark.
...
13. Sonstiges
Im Übrigen sind
- die im Betrieb geltenden Tarifverträge
- die Betriebsvereinbarungen und Betriebsordnungen der P. GmbH B-Stadt
- und das Merkblatt der Arbeitsordnung
Bestandteil dieses Anstellungsvertrages."
Die Klägerin hat die Ausbildung als Facharbeiterin für die Be- und Verarbeitung pflanzlicher Produkte am 28.6.1985 erfolgreich abgeschlossen. Gemäß Bescheinigung der IHK N. vom 30.4.2019 steht dieser Facharbeiterabschluss gemäß Art. 37 Abs. 3 Einigungsvertrag dem Prüfungszeugnis für die Abschlussprüfung im anerkannten Ausbildungsberuf Fachkraft für Lebensmitteltechnik gleich. Die Klägerin erhielt unter dem 28.1.2012 eine Bescheinigung über die Teilnahme an einem Strahlenschutzkurs zum Erwerb der Fachkunde R3 (Bl. 201 d. A.). Sie verfügt zudem über eine Teilnahmebescheinigung an der eintägigen Schulung zur elektrotechnisch unterwiesenen Person zum Betätigen von Stellgliedern gemäß § 4 Abs. 6 der DGUV Vorschrift 3.
Die Klägerin wird in der Regel im Schichtbetrieb eingesetzt. Die dabei geleistete Nachtarbeit erhält sie mit einem Zuschlag von 25 % des Bruttostundenlohnes vergütet. Für die Monate ab Dezember 2018 bis Mai 2019 hat die Klägerin mit Schreiben vom 27.3.2019, 18.5.2019, 11.6.2019 und 4.7.2019 unter Berufung auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Aktenzeichen 10 AZR 34/17 vom 21.3.2018 eine Nachtschichtzulage in Höhe von 50 % geltend gemacht und die Nachzahlung weiterer 25 % gefordert; für Dezember 2018 in Höhe von 121,36 €, für Januar 2019 in Höhe von 212,38 €, für Februar 2019 ebenfalls in Höhe von 212,38 €, für März 2019 in Höhe von 92,71 €, für April 2019 in Höhe von 61,80 €, für Mai 2019 in Höhe von 216,30 € brutto.
Der MTV lautet auszugsweise:
"...
§ 3 Arbeitszeit
...
(3) Zusätzliche Regelungen zur Arbeitszeit
a) ...
b) In Betrieben, in denen im Zwei- bzw. Drei-Schicht-System gearbeitet wird, muss den Arbeitnehmern, die aus betrieblichen Gründen wegen des Fortgangs der Arbeit die festgesetzten Pausenzeiten nicht wahrnehmen können, eine bezahlte Essenspause von 30 Minuten innerhalb der Arbeitszeit gewährt werden.
§ 4 Schichtfreizeit
Arbeitnehmer, die ständig im Drei-Schicht-Wechsel arbeiten, erhalten für je 25 geleistete Nachtschichten in diesem System eine Freischicht.
Arbeitnehmer, die im Zwei-Schicht-...