Entscheidungsstichwort (Thema)
Geldentschädigung wegen nicht rechtmäßiger Videoüberwachung bei schwerer Persönlichkeitsverletzung. Beurteilung einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung nach Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls. Art und Ausmaß von Verstößen gegen das Bundesdatenschutzgesetz als Beurteilungsmaßstab für die Persönlichkeitsrechtsverletzung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Entschädigung wegen nicht rechtmäßiger Videoüberwachung am Arbeitsplatz nach § 823 Absatz 1 BGB kommt nur in Betracht, wenn sie zu einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung geführt hat. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner der Anlass und die Beweggründe des Handelnden sowie der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen (wie BAG 19. Februar 2015 _ 8 AZR 1007/13 _ NJW 2015, 2749 = AP Nr. 44 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht = NZA 2015, 994).
2. Wichtige Anhaltspunkte für das für die Entschädigung maßgebende erhebliche Ausmaß der Verletzung des Persönlichkeitsrechts ergeben sich aus Art und Ausmaß der Verfehlung der Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1; GG Art. 2, 1; BDSG a.F. §§ 32, 4a, 28; EMRK Art. 8 Abs. 1; BDSG § 26
Verfahrensgang
ArbG Rostock (Entscheidung vom 30.08.2018; Aktenzeichen 2 Ca 1213/17) |
Tenor
1. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Auf die Anschlussberufung wird die Beklagte unter insoweitiger Abänderung des angegriffenen Urteils verurteilt, an den Kläger weitere Entschädigung in Höhe von 500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.09.2017 zu zahlen.
3. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in einem beendeten Arbeitsverhältnis noch um eine Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des klagenden Arbeitnehmers durch das Betreiben von Überwachungskameras am Arbeitsplatz.
Die Beklagte betreibt in A-Stadt als Pächterin eine A.-Tankstelle, die alle Tage der Woche durchgehend geöffnet ist. An den Säulen tanken die Kunden selbst. Danach begeben sie sich in den Verkaufsraum der Tankstelle, um den Kraftstoff zu bezahlen. In dem Verkaufsraum bietet die Beklagte weitere dort ausgestellte Waren zum Verkauf an. An der Kasse können unter anderem auch Guthabenkarten für diverse Mobilfunkanbieter erworben werden.
An den Verkaufsraum schließt sich der nicht öffentlich zugängliche Bereich der Tankstelle an. Dort befindet sich im Bereich der Tür, die man von der Kasse im Verkaufsraum aus erreicht, das Steuerboard, über das die technischen Anlagen der Tankstelle bedient werden. Außerdem befindet sich dort das Lager für die alkoholischen und die nichtalkoholischen Getränke, für die Zigaretten und für die sonstigen Verkaufsgegenstände insbesondere die Aktionsware. Schließlich befindet sich dort ein Zwischenlager für das eingenommene Bargeld und die Kassenschubladen der Beschäftigten, wohl so eine Art Tresor. Im nicht öffentlich zugänglichen Bereich befindet sich auch das Dienstzimmer des oder der Tankstellenleiterin. Im Streitzeitraum war dies Frau W., die Tochter der Beklagten. Schließlich befindet sich in diesem Bereich auch noch eine Beschäftigtentoilette und der Raum, in dem die Beschäftigten während der Arbeit ihre Sachen in dort vorhandenen Spinden ablegen können ("Personalraum"). All diese Räume werden durch einen kleinen Flur erschlossen, der mit dem Verkaufsraum über zwei Türen in Verbindung steht. Eine Türe befindet sich - wenn man den Verkaufsraum als Kunde betritt - hinten auf Höhe der Kasse. Die andere befindet sich weiter vorne nahe dem Eingang zum Verkaufsraum an derselben Wand. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Zeichnung Bezug genommen, die der Kläger in seinem Schriftsatz vom 8 Februar 2018 eingefügt hat (hier Blatt 84).
Die Darstellung der Parteien zur Lage des Flurs im nicht öffentlich zugänglichen Teil der Tankstelle stimmen nicht in jedem Detail überein. Abweichend von der vorausgegangenen Schilderung und der klägerischen Skizze kann es auch so sein, dass man von der Tür in Höhe der Kasse vom Verkaufsraum direkt ins Lager gelangt und der Flur lediglich einen Bereich meint, den man betritt, wenn man das Lager über eine weitere - im Regelfall dauerhaft geöffnete - Tür in Richtung der Funktionsräume verlässt. Fest steht insoweit lediglich, dass die Regale im Lager so gestellt sind, das optisch der Eindruck entsteht, es handele sich um einen einheitlichen Flur, der von der Türe in Höhe der Kasse bis zum Übergang in die Werkstatt am Ende des Flurs geht.
Zu dem nicht öffentlich zugänglichen Bereich gehört auch ein Raum, den eine Zeugin und die Parteien als Bierkeller bezeichnen. Der Raum liegt am Ende des Flurs Richtung Übe...