Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmung des Arbeitgebers zur Verringerung der Arbeitszeit einer Vollzeitkraft. Organisationskonzept im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG
Leitsatz (amtlich)
1. Die bloße Vorgabe, die Position der Filialleitung nicht mit Teilzeitbeschäftigten zu besetzen, stellt kein Organisationskonzept im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG dar. Das gewünschte Arbeitszeitmodell muss sich vielmehr als notwendige Folge aus einem bestimmten Organisationskonzept ableiten lassen. Es wird noch kein Organisationskonzept dargelegt, wenn der Arbeitgeber vorbringt, die Aufgaben sollten nach seiner unternehmerischen Zielsetzung von einer Vollzeitkraft erledigt werden. Das gilt auch für Leitungsfunktionen. Sonst könnte der Arbeitgeber jedem Teilzeitverlangen mit dem Argument entgegnen, er wolle nur Vollzeitarbeitnehmer in bestimmten Positionen beschäftigen (vgl. BAG, Urteil vom 15.12.2009 - 9 AZR 72/09 - Rn. 54, juris).
2. Der Arbeitgeber hat die Konsequenzen eines Abweichens von dem von ihm vorgetragenen Organisationskonzept durch die begehrte Arbeitszeitreduzierung darzulegen. Erst dann ist erkennbar, welche konkreten Beeinträchtigungen durch ein Abweichen von dem Organisationskonzept auf Grund des konkreten Teilzeitantrages zu befürchten sind (vgl. LAG Hessen, Urteil vom 17.12.2012 - 17 Sa 613/12 - Rn. 22, juris).
3. § 8 TzBfG begründet einen grundsätzlich tariflich nicht disponiblen gesetzlichen Anspruch. Durch Tarifverträge kann zum Nachteil der Beschäftigten eine Vereinbarung von Abweichungen zu § 8 TzBfG nicht getroffen werden (ErfK/Preis, 23. Aufl., § 9 a TzBfG, Rn. 83). Zudem lässt das Günstigkeitsprinzip einzelvertragliche Abweichungen von tariflichen Regelungen zu.
Normenkette
TzBfG §§ 8, 8 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 1, 2
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Entscheidung vom 11.01.2023; Aktenzeichen 4 Ca 756/22) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 11.01.2023 zum Aktenzeichen 4 Ca 756/22 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um das klägerische Verlangen, die wöchentliche Arbeitszeit von 39 auf 32 Stunden zu reduzieren und diese auf vier Werktage in der Kalenderwoche zu verteilen, wobei jeder Dienstag arbeitsfrei bleiben und der zweite arbeitsfreie Tag entsprechend den betrieblichen Anforderungen variabel gestaltet werden soll.
Die ein Einzelhandelsunternehmen betreibende Beklagte beschäftigt bundesweit in über 340 Filialen mehr als 6000 Mitarbeiter. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war die Klägerin 58 Jahre alt und ist bei der Beklagten seit Oktober 1997, zuletzt als Marktleiterin, zu einem Bruttomonatsverdienst von 3.500,00 Euro beschäftigt. Nachdem sie als Marktleiterin über viele Jahre in S-Stadt eingesetzt war, wurde sie etwa vier Jahre vor Klageerhebung in einen Markt in B-Stadt versetzt. Gemäß des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages vom 07.11.1997 (Blatt 16 ff. der Akte, § 1 Abs. 4) finden auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Die maßgebliche tarifliche Arbeitszeit beläuft sich bei Vollbeschäftigung auf 39 Stunden pro Woche. Sie kann tariflich auf fünf Werktage in der Woche, die Tage von Montag bis Samstag, verteilt werden.
Mit Email vom 15.04.2022 (Anlage K2, Blatt 21 der Akte) hat die Klägerin beginnend ab dem 01.08.2022 eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit auf 32 Stunden in der Woche beantragt sowie die Verteilung dieser Arbeitszeit auf vier Arbeitstage pro Woche, wobei jeder Dienstag habe frei sein, der zweite freie Tag habe variabel gestaltet werden sollen. Die Beklagte lehnte das klägerische Ansinnen mit Schreiben vom 20.06.2022 (Anlage K3, Blatt 22 der Akte) mit der Begründung, die Führung und Organisation eines Marktes setze eine Beschäftigung in Vollzeit voraus, ab. Der Markt in B-Stadt ist an den Werktagen Montag bis Samstag jeweils in der Zeit von 07: 00 Uhr bis 20: 00 Uhr geöffnet. In ihm werden neben der Klägerin fünf Mitarbeiter, davon zwei mit 30 Wochenstunden und drei mit 25 Wochenstunden beschäftigt. Diese Mitarbeiter übernehmen bei Abwesenheit der Klägerin die Schichtleitung. Der erste Vertreter der Klägerin erhält eine Zulage von 138,00 Euro, der zweite Vertreter von 56,00 Euro und alle anderen eine monatliche Zulage von 50,00 Euro. Im Übrigen greift die Beklagte auf Aushilfen und geringfügig Beschäftigte zurück.
Mit ihrer vorab per Fax am 11.07.2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Teilzeitbegehren weiterverfolgt. Sie hat die Auffassung vertreten, ihrem Teilzeitbegehren stünden keinerlei betriebliche Gründe entgegen. Bereits aus den Öffnungszeiten des Marktes ergebe sich, dass die Marktleitung nicht während der gesamten Öffnungszeit im Markt anwesend sein könne. Daher übernähmen die Schichtleiter bei Abwesenheit der Marktleitung die Organisation. Es sei auch nicht erforderlich, eine zusätzliche Arbeitskraft für eine Marktleitung vo...