Revision eingelegt – 4 AZR 118/04

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

sonstiges. Auslegung. Persönlicher Geltungsbereich

 

Leitsatz (redaktionell)

Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass Tarifnormen ebenso wie Gesetzesnormen nur für die Zukunft gelten. Im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit ist für eine Rückwirkung, die sich auf in der Vergangenheit liegende Tatbestände erstreckt, eine klare und unmissverständliche Vereinbarung erforderlich. Dies ergibt die Auslegung des zur Entscheidung gestellten Tarifvertrags nicht.

 

Normenkette

TVG §§ 1, 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1; BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Urteil vom 05.03.2003; Aktenzeichen 9 Ca 2492/02 A)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 01.12.2004; Aktenzeichen 4 AZR 118/04)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 05.03.2003 – Az. 9 Ca 2492/02 A – wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen vom Kläger geltend gemachten Abfindungsanspruch gemäß § 10 des zwischen der Beklagten und der Industriegewerkschaft Metall, dessen Mitglied der Kläger ist, unter dem 16.05.2000 abgeschlossenen, ab 01.06.2000 geltenden Altersteilzeittarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten der Beklagten (im Folgenden: ATZ-TV).

Der am 02.11.1942 geborene, langjährig bei der Beklagten beschäftigte Kläger hat am 09.12.1999 eine Altersteilzeitvereinbarung für die Zeit vom 01.01.2000 bis 31.12.2002 abgeschlossen.

Der ATZ-TV enthält unter anderem folgende Regelungen:

㤠1 Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt räumlich für die Standorte in A. und A., sowie persönlich für alle gewerblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und alle Angestellten der Petri Aktiengesellschaft an diesen Standorten.

§ 2 Anspruch auf Altersteilzeit

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dem begünstigten Personenkreis des § 2 Altersteilzeitgesetz angehören und das 57. Lebensjahr vollendet haben, erwerben nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Tarifvertrages einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages mit mindestens zweijähriger bis zu sechsjähriger verblockter Altersteilzeit.

§ 4 Vereinbarte Altersteilzeit

Auch wenn im Einzelfall nach den Bestimmungen dieses Tarifvertrages der Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages nicht gegeben ist, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein bis zu 6jährig verblocktes Altersteilzeitverhältnis mit der materiellen Ausstattung dieses Tarifvertrages vereinbaren.

Arbeitnehmer mit Ansprüchen nach § 2 dieses Tarifvertrages sind vorrangig zu berücksichtigen.

§ 10 Abfindung

Arbeitnehmer der Geburtsjahrgänge 1942 und später erhalten am Ende ihres Altersteilzeitarbeitsverhältnisses für den Verlust ihres Arbeitsplatzes eine Abfindung.

Die Abfindung errechnet sich aus einem Betrag, der mit der Zahl der vollen Kalendermonate, höchstens mit 48 Kalendermonaten, multipliziert wird, die zwischen der Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt, an dem der Arbeitnehmer Anspruch auf ungeminderte Altersrente gehabt hätte (spätestens dem Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres) liegen. …”

Das Arbeitsgericht hat seine die Klage abweisende, dem Kläger am 03.04.2003 zugestellte Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass der Kläger durch den vor dem 01.06.2000 liegenden Abschluss des Altersteilzeitvertrages aus dem Regelungsbereich des ATZ-TV ausgeschieden sei und die Tarifvertragsparteien eine Rückwirkung des Tarifvertrags nicht geregelt hätten. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf Bl. 59 f. d.A. Bezug genommen (§ 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG).

Mit der am 03.04.2003 beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangenen und am 22.05.2003 begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Verfahrensziel weiter. Wegen seines Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 20.05.2003 (Bl. 79–84 d.A.) sowie die Schriftsätze vom 06.10.2003 (Bl. 122–124 d.A.) und vom 01.12.2003 (Bl. 138 d.A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt:

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – vom 5.3.2003 – Aktenzeichen 9 Ca 2492/02 A – wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 19.633,44 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 1.1.2003 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt:

  1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger und Berufungskläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Wegen des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf die Berufungsbeantwortung vom 18.06.2003 (Bl. 88–96 d.A.) und den Schriftsatz vom 14.11.2003 (Bl. 139 f. d.A.) Bezug genommen.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestands wird im Hinblick auf § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I.

Der ATZ-TV ist auf das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht anwendbar.

1. Gemäß § 4 Abs. 1 TVG gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrags zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die...

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