Entscheidungsstichwort (Thema)
einstweilige Verfügung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Aushändigung einer ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot enthaltenden Vertragsurkunde im Sinne des § 74 Abs. 1 HGB setzt die Übergabe und Überlassung des Schriftstückes auf Dauer an den Arbeitnehmer voraus.
2. Im Falle der Herstellung einer einzigen, von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde muß diese – oder im Falle der notariellen Beurkundung der Vereinbarung eine Ausfertigung – dem Arbeitnehmer ausgehändigt werden.
3. Die Aushändigung der Urkunde über ein Wettbewerbsverbot muß im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Vertragsschluß geschehen. Bei einer späteren Aushändigung kann das Wettbewerbsverbot nur dann noch wirksam werden, wenn der Arbeitnehmer der nachträglichen Aushändigung ausdrücklich oder stillschweigend zustimmt.
Normenkette
HGB § 74 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bamberg (Urteil vom 17.06.1994; Aktenzeichen 1 Ga 2/94 C) |
Tenor
Die Berufung der Antragstellerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg, Kammer Coburg vom 17.06.1994, Aktenzeichen: 1 Ga 2/94 C, wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage der Wirksamkeit eines in dem zwischen den Parteien am 18.08.1983 geschlossenen Dienstvertrages unter Ziffer 10 enthaltenen nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes. Von dem Dienstvertrag existiert nur eine Originalausfertigung, die von beiden Parteien unterschrieben ist. Nach Unterschriftsleistung wurde dieses Exemplar einer Vereinbarung der Parteien entsprechend bei einem Notar hinterlegt; weiter wurde vereinbart, daß der Vertrag nur an beide Parteien gemeinsam herausgegeben wird.
Das nahezu 29 Jahre dauernde Beschäftigungsverhältnis endete durch fristlose Kündigung seitens der Antragstellerin am 27.04.1994. Der Antragsgegner verdiente zuletzt als Vertriebsleiter jährlich DM 300.000,– brutto als Jahresgehalt und DM 450.000,– als Umsatztantieme. Die Antragstellerin produziert und handelt mit Polstermöbeln; ihr Jahresumsatz beträgt etwa DM 200 Millionen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag, dem Antragsgegner durch einstweilige Verfügung eine Konkurrenztätigkeit bis 27.04.1996 zu untersagen, zurückgewiesen. Das Erstgericht geht davon aus, daß das Wettbewerbsverbot nicht wirksam ist; dem Antragsgegner sei die Vertragsurkunde über das Wettbewerbs verbot entgegen § 74 Abs. 1 HGB nicht ausgehändigt worden. Auf den Inhalt des erstgerichtlichen Urteils im einzelnen wird Bezug genommen.
Zur Begründung ihrer Berufung läßt die Antragstellerin im wesentlichen vorbringen, das erste Gespräch über die vorzeitige Auflösung der Zusammenarbeit mit dem Antragsgegner habe bereits am 25.04.1994 stattgefunden. Schon damals sei der Antragsgegner darauf hingewiesen worden, daß auf die Einhaltung der Wettbewerbsklausel gegen Zahlung einer Entschädigung bestanden werde. Der Antragsgegner habe damals auch gewußt, daß im Dienstvertrag vom 18.08.1983 eine nachvertragliche Wettbewerbsklausel vereinbart worden sei. Um die Einzelheiten des Vertrages abzuklären, habe sich der Antragsgegner am 27.04.1994 um die Einsichtnahme in seinen Dienstvertrag bemühen wollen. Am 27.04.1994 habe man sich dann im Hause der Antragstellerin mit Herrn Notar K. getroffen, der das hinterlegte, versiegelte Kuvert mit dem Dienstvertrag geöffnet habe und den Vertrag an den Antragsgegner und den Inhaber der Antragstellerin zur Einsicht ausgehändigt habe. Darauf hätten sich beide über die Authentizität der Vertragsurkunde und über die Wettbewerbsklausel informiert und der Notar sei gebeten worden, Kopien des Vertrages für die Anwesenden auszufertigen. Bei diesem Sachverhalt sei davon auszugehen, daß dem Antragsgegner die Vertragsurkunde am 18.08.1983 ausgehändigt worden sei. Zwischen den am Verfahren Beteiligten habe damals Einigkeit bestanden, daß aus Gründen der Geheimhaltung nur eine Vertragsurkunde erstellt werden sollte. Der Antragsgegner habe es ausdrücklich abgelehnt, diese an sich zu nehmen, vielmehr seien die Vertragsparteien übereingekommen, daß Herr Rechtsanwalt Dr. H. von beiden Beteiligten beauftragt werde, die Vertragsurkunde an sich zu nehmen und sie im Namen der Beteiligten bei einem Notar zu deponieren. Eine Öffnung des Kuverts sei nur im Beisein bzw. mit Zustimmung beider Vertragsparteien möglich gewesen. Im November 1993 habe eine solche gemeinsame Einsichtnahme stattgefunden. Die Urkunde sei damals wieder dem Notar zugeleitet worden; der Antragsgegner habe auf einen Behalt der Urkunde verzichtet. Durch die Ablehnung der Entgegennahme des Dienstvertrages seitens des Antragsgegners sei es diesem auch unter dem Gesichtspunkt des § 162 BGB verwehrt, sich auf eine etwa fehlende Aushändigung zu berufen. Als unzulässige Rechtsausübung müsse es gewertet werden, wenn der Antragsgegner seinen Vertragspartner bewußt davon abgehalten habe, die erforderliche Form zu wahren. Schließlich sei dem Antragsgegner jedenfalls am 27.04.1994 vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung im Rahmen der Zusammenkunft der Beteili...