Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss. Beschwerdeschreiben. Zustimmungsersetzung. Zustimmungsersetzung oder Ausschluss bei Beschwerdeschreiben
Leitsatz (redaktionell)
Dass mit jeder Amtspflichtverletzung eines Betriebsratsmitglieds bzw. -vorsitzenden auch ein Vertrauensverlust auf Seiten des Arbeitgebers verbunden ist, rechtfertigt es nicht, regelmäßig auch von einem schweren Verstoß gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auszugehen.
Normenkette
BetrVG §§ 103, 23 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Beschluss vom 04.01.2005; Aktenzeichen 8 BV 4015/03) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 04.01.2005, Az.: 8 BV 4015/03 wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Vorsitzenden des Betriebsrates sowie hilfsweise um den Ausschluss der Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat.
Von einer erneuten Darstellung des unstreitigen Sachverhaltes sowie des erstinstanzlichen Beteiligtenvorbringens wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 04.01.2005 (dort S. 3 bis 17 = Bl. 276 bis 290 d.A.) Bezug genommen.
Die Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Die Arbeitgeberin) hat beantragt,
die vom Beteiligten zu 2) (im Folgenden: Der Betriebsrat) verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beteiligten zu 3) (im Folgenden: Die Betriebsratsvorsitzende) zu ersetzen,
hilfsweise,
die Betriebsratsvorsitzende aus dem Betriebsrat auszuschließen.
Der Betriebsrat und die Betriebsratsvorsitzende haben beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Das Arbeitsgericht Koblenz hat entsprechend seinen Beweisbeschlüssen vom 28.09.2004 (Bl. 243 f. d.A.) und 04.01.2005 (Bl. 259 d.A.) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen X, W, U und V; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 04.01.2005 (Bl. 259 ff. d.A.) verwiesen.
Sodann hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 04.01.2005 (Bl. 274 ff. d.A.) die Anträge zurückgewiesen.
Das Arbeitsgericht hat zur Begründung dieser Entscheidung unter anderem ausgeführt, der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zu der außerordentlichen Kündigung der Betriebsratsvorsitzenden sei unbegründet, da die rechtlichen Voraussetzungen für eine Zustimmungsersetzung nach § 103 Abs. 2 BetrVG nicht erfüllt seien. Die beabsichtigte fristlose Kündigung sei nämlich nach § 626 BGB nicht gerechtfertigt. Dies folge bereits daraus, dass die Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB von der Arbeitgeberin nicht eingehalten worden sei. Demnach sei die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates innerhalb von zwei Wochen nach der Zustimmungsverweigerung beim Arbeitsgericht zu beantragen. Im vorliegenden Fall sei der Zustimmungsersetzungsantrag vom 18.12.2003 beim Arbeitsgericht eingegangen, während der Geschäftsführer der Arbeitgeberin, Herr T bereits am 28.11.2003 von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt gehabt habe. An diesem Tag hätten dem Geschäftsführer nämlich das Beschwerdeschreiben vom 18.11.2003 als auch das Distanzierungsschreiben vom 28.11.2003 vorgelegen. Mithin sei ihm also an diesem Tag bekannt gewesen, dass ein Teil der Mitarbeiter das Beschwerdeschreiben vor der Unterschriftsleistung nicht gesehen habe und der Meinung sei, dass der Betriebsrat die Unterschriften für einen beleidigenden Brief an die Geschäftsleitung missbraucht habe; hierauf werde aber die beabsichtigte Kündigung gestützt.
Die Kündigungserklärungsfrist sei auch nicht durch Ermittlungsmaßnahmen, welche der Arbeitgeberin nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinen durften, gehemmt gewesen. Insbesondere habe es nicht der Durchführung der Abteilungsversammlung vom 08.12.2003 bedurft, um den Kündigungssachverhalt weiter aufzuklären.
Darüber hinaus seien auch die nach § 626 Abs. 1 BGB notwendigen Voraussetzungen für die außerordentliche Kündigung nicht erfüllt. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe nämlich nicht ergeben, dass die Betriebsratsvorsitzende ihr Amt missbraucht habe, um dem Geschäftsführer Herrn T zu schaden, indem sie den Geschäftsführer Herrn S über das Vorliegen von Mitarbeiterbeschwerden, die geeignet seien, die Verhandlungsposition des Geschäftsführers Herr T zu schwächen, getäuscht habe. Die Beweisaufnahme habe nämlich ergeben, dass sich die Mitarbeiter X und W tatsächlich über die Punkte „Unfreundlichkeit des Geschäftsführers Herr T”, „Verbesserungsvorschläge”, „fehlende Arbeitsvorbereitung”, „Umbau und Änderungen an den Formen” und „Urlaubsgewährung” hätten beschweren wollen. Des Weiteren stehe nach der Beweisaufnahme fest, dass der Zeuge X den Anstoß für die Beschwerde gegeben habe und damit die Entscheidung über die Verfassung eines Beschwerdeschreibens an sich und den Zeitpunkt der Beschwerde bestimm...