Entscheidungsstichwort (Thema)

Angebot. Bestimmtheit. Änderungskündigung. Überprüfung der. Gründe betriebliche. Verhältnismäßigkeitsprinzip. Unwirksame betriebsbedingten Änderungskündigung eines Kraftfahrers bei Unbestimmtheit des Änderungsangebots. Abgrenzung von Änderungskündigung und Weisungsrecht der Arbeitgeberin

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Begründetheit einer Änderungsschutzklage setzt voraus, dass zu dem Termin, zu dem die Änderungskündigung ausgesprochen wurde, das Arbeitsverhältnis noch zu den unveränderten Arbeitsbedingungen bestand.

2. Streitgegenstand der Klage nach § 4 Satz 2 KSchG ist nicht die Wirksamkeit der Kündigung sondern der Inhalt der für das Arbeitsverhältnis geltenden Vertragsbedingungen; unter "geänderten Arbeitsbedingungen" im Sinne von § 2 Satz 1 und § 4 Satz 2 KSchG sind andere Arbeitsvertragsbedingungen zu verstehen.

3. Von der Arbeitgeberin erstrebte Änderungen, die sie schon durch Ausübung ihres Weisungsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO durchsetzen kann, halten sich im Rahmen der bestehenden vertraglichen Vereinbarungen und sind keine "Änderung von Arbeitsbedingungen nach § 2 Satz 1 KSchG"; soll am bestehenden Vertragsinhalt materiell nichts geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor, da die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen bereits gelten, so dass eine Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG in diesem Fall (notwendig) unbegründet ist.

4. Ist der Inhalt eines von mehreren Änderungsangeboten weder bestimmt noch bestimmbar, führt dies zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung; es kann dann offen bleiben, ob ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegt.

5. Sollen Tätigkeit und Vergütung geändert werden, ist die Geltung der übrigen Arbeitsbedingungen dem Kündigungsschreiben nicht eindeutig zu entnehmen, wenn Urlaubsansprüche und insbesondere die Arbeitszeit im Änderungsangebot nicht angesprochen, Änderungen insoweit auch nicht angedeutet werden und sich dem Kündigungsschreiben weder hinreichend deutlich die genaue Verteilung der jeweiligen Teiltätigkeiten (LKW-Fahrten, Vertretungstätigkeiten, Lager- Kommissionierertätigkeiten) entnehmen lassen noch der innere Zusammenhang zur jeweils geschuldeten (offensichtlich unterschiedlichen) Vergütung.

 

Normenkette

BGB § 145; GewO § 106; KSchG §§ 1-2, 4, 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3, § 2 S. 1, § 4 S. 2; GewO § 106 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 02.05.2012; Aktenzeichen 4 Ca 3542/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 02.05.2012 - 4 Ca 3542/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung der Beklagten.

Der am 1958 geborene Kläger ist verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er ist bei der Beklagten seit mehr als 25 Jahren als Kraftfahrer beschäftigt; er hat zuletzt eine Bruttomonatsvergütung von 2.850,00 Euro erzielt.

Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. Es besteht ein Betriebsrat.

Mit Schreiben vom 1. September 2011, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 40 d.A Bezug genommen wird, das dem Betriebsrat am selben Tag zugegangen ist, hat die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung angehört.

Mit Schreiben vom 14. September 2011, dem Kläger am selben Tag zugegangen, hat die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gekündigt. In diesem Schreiben, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 5 d.A. Bezug genommen wird, heißt es unter anderem:

"Änderungskündigung[...]hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist fristgerecht - betriebsbedingt - zum 30. April 2012. Bis zu diesem Termin erhalten Sie die bisherige Vergütung aufgrund einer Durchschnittsberechnung der letzten 12 Monate. Diese Regelung tritt nach der Stilllegung des LKW in Kraft.

Gleichzeitig bieten wir die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter geänderten Bedingungen ab 1. Oktober 2011 wie nachfolgend beschrieben an:

Aufgrund betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit bedingt auch durch die gesetzlichen Vorgaben hat die Geschäftsleitung entschieden, den werkseigenen Fuhrpark zu reduzieren. Es werden zwei Lkw-Fahrzeuge (Jumbo-Züge) im September 2011 aufgrund des Alters und der anstehenden hohen Reparaturkosten ausgemustert und nicht durch neue LKW ersetzt. Dadurch verringert sich der Fuhrpark von 3 auf 1 LKW. Der Bereich Fuhrpark muss um 2 Personen reduziert werden.

[Ausführungen zur Sozialauswahl]

Wir bieten Herrn C. ab 1. Oktober 2011 die Weiterbeschäftigung im Bereich Fuhrpark/Nahverkehr sowie als Ersatz- und Aushilfsfahrer bei Urlaubs- Krankheitsbedingten Fehlzeiten sowie im Lager- Kommissionierung wie folgt an:

Die Entlohnung setzt sich wie folgt zusammen:Tarifliche Vergütung für Zeitlohnder Lohngruppe E 5 EURO 11,38 pro Stu...

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