Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansprüche eines Arbeitnehmers auf variable Vergütung aufgrund einer Zielvereinbarung im Geltungsbereich einer Betriebsvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Zielvereinbarung unterliegt als Entgeltregelung keiner allgemeinen Billigkeits- oder Inhaltskontrolle nach den §§ 307ff. BGB.
2. In dem Abschluss einer individuellen Zielvereinbarung liegt auch bei Geltung einer Betriebsvereinbarung über variable Vergütungsanteile kein unzulässiger Verzicht auf Ansprüche.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; BetrVG § 77 Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 24.03.2016; Aktenzeichen 9 Ca 990/15) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 24. März 2016, Az. 9 Ca 990/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf eine weitere variable Vergütung.
Der 1979 geborene Kläger war bei der Beklagten seit 01.10.2010 als Vertriebsmitarbeiter (Account-Manager) beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 31.03.2015 aufgrund einer Kündigung des Klägers. Im Arbeitsvertrag haben die Parteien ein Jahreszielgehalt von € 85.000 vereinbart, das mit Wirkung zum 01.07.2013 auf € 88.000 brutto erhöht worden ist. Es setzte sich aus einem Fixum von € 52.800 (60%) und einer variablen Vergütung von € 35.200 (40%) zusammen. Auf die variable Vergütung zahlte die Beklagte einen monatlichen Vorschuss. Für das Kalenderjahr 2014 zahlte sie dem Kläger eine variable Vergütung iHv. € 20.776,06. Mit seiner am 15.06.2016 erhobenen Klage verlangt er weitere € 14.432,94, den Differenzbetrag zu 100% des Jahreszielgehalts. Der Kläger meint, eine von der Beklagten gewährte Sonderprämie iHv. € 12.000 sei nicht anrechenbar.
In einer Betriebsvereinbarung zur Vergütung variabler Bezüge (Provisionsordnung) vom 20.03.2014, die am 01.02.2014 in Kraft getreten ist, heißt es ua:
"6.4 Zweifelsfälle
Mitarbeiter und Vorgesetzter legen einvernehmlich fest, welche Ziele zukünftig zu verfolgen sind.
Wenn Gründe vorliegen, die dazu führen, dass ein Mitarbeiter ein bestimmtes Ziel nicht erreicht und diese Gründe außerhalb seines Einflussbereiches liegen, wird das Ziel angepasst oder ein sinnvolles Ersatzziel vereinbart. Sollte dies nicht möglich oder nicht sinnvoll sein, wird dieses Ziel mit 100% bewertet.
Sollte sich zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem hinsichtlich einer bestimmten Zielsetzung, Zielbewertung oder Zielerreichung keine Einigkeit erzielen lassen, entscheidet der nächsthöhere Vorgesetzte (Eskalation).
Sollten danach immer noch Zweifel an einer fairen und objektiven Bewertung bestehen, wird auf Wunsch eine "Mediationsstelle" eingerichtet, die aus diesem nächsthöheren Vorgesetzten sowie jeweils einem Vertreter der Abteilung Human Resources und des Betriebsrates besteht.
Mitarbeiter und Vorgesetzter haben gleichermaßen das Recht auf Eskalation und Mediation."
Wegen der für die variable Vergütung maßgeblichen Vorgaben wurden in den Vorjahren zwischen dem Kläger und dem Vertriebsleiter jeweils Zielvereinbarungen geschlossen. Über die Ziele für das Kalenderjahr 2014 kam es (zunächst) zu keiner Einigung, weil sich der Kläger weigerte, das von der Beklagten vorgelegte Angebot anzunehmen. Aus seiner Sicht waren die von der Beklagten aufgeführten Ziele unrealistisch und nicht erreichbar. Es kam zu mehreren ergebnislosen Gesprächen zwischen dem Kläger und dem Vertriebsleiter sowie der Geschäftsleitung.
Schließlich sagte Herr R., ein damaliger Geschäftsführer der Beklagten, dem Kläger im Oktober 2014 in einem Gespräch eine "Sonderprämie" iHv. € 12.000 zu, die dem Kläger auch ausgezahlt worden ist. Die Höhe der Prämie wurde von Herrn R. gegenüber dem Kläger so kommuniziert, dass er mit diesem Geldbetrag unter Hinzurechnung der bereits gezahlten variablen Bezüge einen Zielerreichungsgrad von etwa 90% erreiche. In einem Schreiben an den Kläger vom 23.10.2014 heißt es:
"Prämie für hervorragenden Einsatz
Lieber ,
in den letzten Monaten hast Du herausragende Leistungen gezeigt. Dafür danken wir Dir ganz herzlich und möchten Dir als Anerkennung für diesen beispielhaften Einsatz eine einmalige Sonderprämie in Höhe von
12.000,00 Euro (brutto)
gewähren. Die Auszahlung erfolgt mit dem Novembergehalt.
Wir danken Dir besonders für die Übernahme der Projektverantwortung des Projektes Mobile Strategy und die Betreuung des Kunden B. seit Anfang des Jahres.
Wir freuen uns auf eine weiterhin so angenehme und erfolgreiche Zusammenarbeit. ..."
Der Kläger unterzeichnete am 14.11.2014 die Zielvereinbarung für das Jahr 2014 mit dem ursprünglichen Angebotsinhalt.
Von einer weiteren Darstellung des unstreitigen Tatbestands und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 24.03.2016 Bezug genommen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 14.423,94 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei...