Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörung, erneute. Betriebsratsanhörung, außerordentliche. Betriebsratsmitglied. Diebstahl. Kündigung. Verdacht. Zustimmungsersetzung. Außerordentliche Verdachtskündigung eines ehemaligen Betriebsratsmitglieds
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung anzuhören. Einer erneuten Anhörung des Betriebsrats bedarf es immer, wenn der Arbeitgeber bereits nach Anhörung des Betriebsrats eine Kündigung erklärt hat, d.h., wenn die erste Kündigung dem Arbeitnehmer zugegangen ist und der Arbeitgeber damit seinen Kündigungswillen bereits verwirklicht hat und er nunmehr eine neue (weitere) Kündigung aussprechen will. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Kündigung auf den gleichen Sachverhalt stützt und wegen Bedenken gegen die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vorsorglich erneut kündigt.
2. Eine erneute Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist nicht erforderlich, wenn ein Antrag nach § 103 BetrVG an den Betriebsrat gerichtet worden war und das betroffene Betriebsratsmitglied aus dem Betriebsrat ausgeschieden ist.
3. Der Verdacht eines Diebstahls zum Nachteil des Arbeitgebers vermag einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 1, § 103; BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 17.08.2006; Aktenzeichen 5 Ca 696/06) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 17.08.2006 – 5 Ca 696/06 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Verdachtskündigung vom 05.04.2006 und einer weiteren außerordentlichen Verdachtskündigung vom 10.04.2006.
Die am 01.03.1949 geborene, verheiratete Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 04.05.1992 als Küchenhilfe zuletzt zu einem Bruttomonatsgehalt von 1.443,00 Euro beschäftigt. Die Beklagte mit Sitz in C-Stadt ist ein bundesweit tätiges Cateringunternehmen. Sie betreibt unter anderem im Rahmen eines Bewirtschaftungsvertrages ein Betriebsrestaurant auf dem Gelände der Firma M. Reifenwerke KGaA in B. K., in dem sie zwölf Arbeitnehmer beschäftigt. Zuletzt war die Klägerin dort unter anderem als Kassiererin eingesetzt. Sie war bis zum 04.04.2006 Betriebsobfrau des im Betrieb der Beklagten in B. K. gewählten Betriebsrats.
In der Zeit von Samstag, dem 20.08.2005 bis Montag, dem 22.08.2005 sind aus der Kasse in der so genannten Z-Kantine von einem unbekannten Täter dort deponiertes Wechselgeld entwendet worden.
In der Vergangenheit hat die an Samstagen in der Z-Kantine tätige Kassiererin das Wechselgeld zum Dienstschluss gegen 12.30 Uhr in die Kasse eingeschlossen, den Kassenschlüssel dann in die Schreibtischschublade des Kantinenschreibtisches gelegt, diese und die Tür zum Kassenraum abgeschlossen und den Schlüsselbund mit dem Schlüssel für Schreibtischschublade und Eingangstür der Z-Kantine beim Pförtner abgegeben. Nach dem Wochenende musste die Kassiererin dann den Schlüsselbund bei dem Küchenleiter abholen und die Kasse wieder öffnen.
Am Montag, dem 22.08.2005 hat die Kassiererin E. dem Betriebsleiter der Beklagten nach Öffnen der Kasse in B. K. mitgeteilt, dass sich das Wechselgeld in Höhe von rund 500,00 Euro nicht mehr in der Kasse befunden habe. Die von der Beklagten informierte Polizei hat im Laufe des Vormittags festgestellt, dass weder das Schloss der Zugangstür zur Z-Kantine noch das Schloss des Schreibtisches noch das der Kasse aufgebrochen worden waren.
Am 25.08.2005 hat der Betriebsleiter der Beklagten durch den Pförtner K. erfahren, dass die Klägerin am Sonntag, dem 21.08.2005 den Schlüssel für die Zugangstür und die Schreibtischschublade in der Z-Kantine bei ihm an der Empfangspforte abgeholt und das Betriebsgelände betreten hatte.
Am 29.08.2005 hat die Klägerin, nachdem sie in der Zeit vom 03.08.2005 bis einschließlich 26.08.2005 arbeitsunfähig erkrankt gewesen war, ihre Arbeit wieder angetreten.
Am gleichen Tag hat der Betriebsleiter im Betrieb in B. K. den in der Hauptniederlassung ansässigen Personalleiter Sch. von den Vorfällen informiert.
Am 30.08.2005 ist die Klägerin durch den Personalleiter Sch. angehört worden. Der Anhörung wohnten auch der Gesamtbetriebsratsvorsitzende K. und das Gesamtbetriebsratsmitglied E. bei. Über den Ablauf und den Inhalt des Gesprächs besteht zwischen den Parteien Streit. Im Anschluss an das Gespräch, das von der Klägerin beendet wurde, hat diese gegen 15.30 Uhr ihren Arbeitsplatz verlassen und ist erst um 17.30 Uhr wieder an diesen zurückgekehrt.
Noch vor dem 02.09.2005 bemerkte die Beklagte das Fehlen einer Nummer für eine Kassenbewegung im Kassenjournal, das die Kassenbewegungen auf einer Papierrolle mit fortlaufenden Nummern aufzeichnet. Das Kassenjournal vom Samstag, dem 20.08.2005 endete mit der Nummer „8140”. Die nächste offene Nummer im Journal für die nächste Kassenbewegung hätte die Nummer...