Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzung des Internetzugangs zu privaten Zwecken. Außerordentliche Kündigung. Fehlende Abmahnung. Heilung des zerstörten Vertrauensverhältnisses. Fehlende Außenwirkung
Leitsatz (redaktionell)
Auch wenn ein Diplom-Pädagoge, der als Pädagogischer Mitarbeiter in einer Beratungsstelle für lernbeeinträchtigte und benachteiligte Jugendliche eingesetzt ist, während der Arbeitszeit von den Rechnern Seiten im Internet mit pornographischem Inhalt aufruft, rechtfertigt diese Pflichtverletzung nur dann eine Kündigung, wenn eine vorherige vergebliche Abmahnung vorausgeht. Die Verfehlung ist nicht so schwer, dass die Chance einer positiven Prognose für das Vertragsverhältnis fehlt.
Normenkette
BGB §§ 621, 626
Verfahrensgang
ArbG Trier (Urteil vom 19.08.2003; Aktenzeichen 3 Ca 832/03) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 19.08.2003 – 3 Ca 823/03 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Seit 01.05.2002 ist der Kläger als Diplom-Pädagoge zu einem Monatslohn von 2.900, EUR brutto bei dem Beklagten beschäftigt. Dabei war er jeweils zur Hälfte seiner Stelle als Teamleiter der Beratungsstelle B D und als Pädagogischer Mitarbeiter der Beratungsstelle I eingesetzt. Der Kläger hat neben Verwaltungs- und Führungsaufgaben Förderunterricht erteilt, Leistungsstand und Möglichkeiten der Schüler und Schülerinnen ermittelt, Hilfestellung bei lebenspraktischen Problemen, Einzelfallhilfe, Unterbreitung von Beratungsangeboten, Vorbereitung und Durchführung von Freizeitaktivitäten mit den zu betreuenden Schülern und Schülerinnen sowie die Kontaktpflege mit Betrieben, Berufsschulen, Eltern und anderen beteiligten Institutionen zur Aufgabe. Auch erteilte er teilweise Einzelunterricht.
Nachdem der Beklagte festgestellt hatte, dass der Kläger von den Rechnern Seiten im Internet mit pornographischem Inhalt aufgerufen hatte, kündigte er mit Schreiben vom 19.04.2003 das Arbeitsverhältnis außerordentlich zum 07.05.2003. Außerdem kündigte er das Arbeitsverhältnis vorsorglich ordentlich zum 15.08.2003. Der Kläger hat gegen beide Kündigungen Klage erhoben und Weiterbeschäftigung verlangt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz, insbesondere der Reichweite der Betriebsvereinbarung vom 20.09.2002 in welchem die Nutzung des Internetzugangs auch zu gelegentlichen privaten Zwecken, soweit der Betriebsablauf hierdurch nicht gestört wird, erlaubt ist, wird Bezug genommen auf den Sach- und Streitstand im angefochtenen Urteil vom 19.08.2003 des Arbeitsgerichts Trier. In diesem Urteil hat das Arbeitsgericht der Klageforderung entsprochen und festgestellt, dass die außerordentliche Kündigung vom 19.04.2003 rechtsunwirksam ist und den Beklagten verurteilt den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeits- und Vertragsbedingungen als Diplom-Pädagoge weiter zu beschäftigen. Der Beklagte beschäftigte den Kläger weiter. Das Arbeitsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, zwar liege ein Fehlverhalten vor. Die Pflichtverletzung im Leistungs- oder Vertrauensbereich rechtfertige jedoch nur dann eine Kündigung, wenn eine vorherige vergebliche Abmahnung vorausgegangen sei. Dies war nicht der Fall. Die Abmahnung sei auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, es handele sich nicht um so schwerwiegende Pflichtverletzungen deren Rechtwidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne Weiteres erkennbar sei und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens offensichtlich ausgeschlossen sei. Er habe die Vertragsverletzung auch nicht hartnäckig oder uneinsichtig begangen mit der Folge, dass von einer vertragsmäßigen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr ausgegangen werden könne. Dass das Verhalten des Klägers Auswirkungen auf die Tätigkeit gehabt habe oder auf die pädagogische Funktion des Beklagten sei weder ersichtlich noch vorgetragen. Jedenfalls sei die Verfehlung nicht so schwer, dass die Chance einer positiven Prognose für das Vertragsverhältnis fehle.
Gegen das dem Beklagten am 16.09.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 13.10.2003 eingelegte Berufung, welche der Beklagte am 10.11.2003 begründet hat. Der Kläger greift im Wesentlichen die Auffassung des Arbeitsgerichts an, dass das Fehlverhalten als derart schwerwiegend anzusehen sei, dass eine vorherige Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich sei. Hierbei verweist er auf den Rechtscharakter als anerkanntes gemeinnütziges und mildtätiges Unternehmen in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, der sich an öffentlichen Ausschreibungen der in Rheinland-Pfalz gelegenen Arbeitsämter beteiligte. Bei den ausbildungsbegleitenden Hilfen handelt es sich um eine Fördermaßnahme für lernbeeinträchtigte und benachteiligte Jugendliche. Diese Umstände nämlich der Unternehmensgegenstand und die damit korrespondierende Tätigkeit des Klägers seien beim vom Arbeitsgericht bei Bewertung des Pflichtverstoßes vollkommen außer Acht gelassen worden. Dies habe der Kläger auch selb...