Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche Kündigung im Kleinbetrieb

 

Leitsatz (amtlich)

Im Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel kann auch in Betrieben ohne Betriebsrat, selbst wenn der Betrieb nicht betriebsratsfähig ist, einem Arbeitnehmer nach 15 Jahren Betriebs Zugehörigkeit und nach Vollendung des 50. Lebensjahres nur aus wichtigem Grund gekündigt werden.

 

Normenkette

Manteltarifvertrag zwischen dem Landesverband Einzelhandel Rheinland-Pfalz und den Gewerkschaften HBV und DAG § 15 Nr. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Urteil vom 15.04.1999; Aktenzeichen 2 Ca 49/99)

 

Tenor

Das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 15.04.1999 – 2 Ca 49/99 – ist hinsichtlich der Ziff. 2. des Tenors wirkungslos.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 15.04.1999 – 2 Ca 49/99 – wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 1/4, der Beklagte 3/4, von den Kosten der I. Instanz trägt die Klägerin 1/13, der Beklagte 12/13.

Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer vom Beklagten gegenüber der Klägerin ausgesprochenen Kündigung. Die am 05.08.1941 geborene, verwitwete Klägerin ist seit dem 01.07.1979 als Verkäuferin bei dem Beklagten halbtags beschäftigt. Kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des Einzelhandels Rheinland-Pfalz, abgeschlossen zwischen dem Landesverband Einzelhandel Rheinland-Pfalz e.V. und der Gewerkschaft HBV und der DAG vom 06.08.1996 Anwendung. Dessen § 15 Nr. 5 lautet wörtlich wie folgt:

„Nach Vollendung des 50. Lebensjahres und einer Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren kann das Arbeitsverhältnis gegenüber Arbeitnehmerinnen nur aus wichtigem Grunde, den sie selbst verschuldet haben, oder mit Zustimmung des Betriebsrates gekündigt werden.

Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt seine Zustimmung als erteilt.

Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.”

Außer der Klägerin beschäftigte der Beklagte drei weitere Arbeitnehmerinnen, zwei Vollzeitkräfte und eine Teilzeitkraft.

Mit Schreiben vom 30.12.1998 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.06.1999. Nach der Kündigung suchte er per Aushang eine Aushilfe und eine Vollzeitkraft. Die Klägerin hat gegen die Kündigung am 11.01.1999 Kündigungsschutzklage erhoben.

Sie hat vorgetragen, das Arbeitsverhältnis sei nur ordentlich kündbar. Auch bei Nichtanwendbarkeit der Kündigungsschutzgesetzes sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine „kleine Sozialauswahl” vorzunehmen. Sie hat weiter erstinstanzlich tarifliche Vergütung eingeklagt.

Die Klägerin hat, sofern für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 30.12.1998 nicht beendet werden wird, sondern fortbesteht.

2. Den Beklagten zu verurteilen, sie über den 30.06.1999 hinaus zu unveränderten Bedingungen tatsächlich weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, zwischen den Tarifvertragsparteien sei unstreitig, dass § 15 Ziff. 5 auf Betriebe ohne Betriebsrat keine Anwendung finden. Kleinbetriebe würden durch eine Anwendung in ihrer verfassungsrechtlich garantierten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit unverhältnismäßig stark eingeschränkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes I. Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 15.04.1999 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage entsprochen und den Beklagten zur Weiterbeschäftigung verurteilt. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die Auslegung des Tarifvertrages ergebe, dass dem Beklagten nur die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung mit wichtigem Grund gegeben sei. Die Auffassung der Beklagten, die Tarifbestimmung würde für Kleinbetriebe eine Ausnahme enthalten, sei nicht zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Urteil wurde dem Beklagten am 18.05.1999 zugestellt, er hat, soweit es die Weiterbeschäftigung und die Feststellungsklage anbelangt, mit am 04.06.1999 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Der Beklagte wiederholt seine Auffassung, die einzig verfassungskonforme Auslegung der streitigen Tarifbestimmung sei diese, dass in Kleinbetrieben ohne Betriebsrat der besondere Kündigungsschutz nicht gelte.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 15.04.1999 mit dem Aktenzeichen – 2 Ca 49/99 – in seinem Tenor zu 1) und 2) aufzuheben und...

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