Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörung des Betriebsrats. Interessenausgleich mit Namensliste
Leitsatz (redaktionell)
Das Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste macht die Anhörung nach § 102 BetrVG weder entbehrlich noch unterliegt die Anhörung erleichterten Anforderungen.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 20.07.2004; Aktenzeichen 8 Ca 718/04) |
Tenor
1.Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom20.07.2004 – 8 Ca 718/04 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2.Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung sein Ende gefunden hat.
Der Kläger war seit 18.09.1989 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der W, als Lagerist entsprechend dem in Bl. 7 ff. d. A. wiedergegebenen Arbeitsvertrag beschäftigt. Der Kläger wurde 1968 geboren, ist ledig und hat keine Kinder. Er erzielte zuletzt ein Bruttoeinkommen von 2.400,00 EUR monatlich.
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.03.2004 ordentlich zum 30.09.2004 gekündigt. Sie hat zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ca. 80 Mitarbeiter beschäftigt.
Die Beklagte hat mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan, jeweils am 23.03.2004, abgeschlossen. Hinsichtlich des Inhalts des Sozialplans wird auf Blatt 56 bis 62 der Akte Bezug genommen. Der Interessenausgleich enthält unter anderem folgende Regelung:
§ 1
Präambel
Die stagnierende wirtschaftliche Entwicklung und die sich daraus ergebende Situation des Unternehmens hat – wie sich insbesondere aus den Prognosen der gesamten Auftragslage für das Geschäftsjahr 2004, verbunden mit den Umsatzeinbußen in 2003 (– 46,6 % bez. 1.170 TEUR im Vergleich zu dem Vorjahr) bei unserem größten Abnehmer, der W AG ergibt – zu einer Existenzbedrohung des Unternehmens geführt. Geschäftsleitung und Betriebsrat haben gemeinsam diese eingetretene wirtschaftliche Situation und Lösungsmöglichkeiten dazu erörtert.
Daraus ergibt sich, dass
- die Belegschaft im Laufe des Jahres 2004 durch betriebsbedingte Kündigungen um maximal 20 Mitarbeiter (von derzeit 85) zu verringern ist.
- die Kapazitäten, die für die W AG freigehalten werden, mit dem Abbau der Mitarbeiter angepasst werden.
§ 2
Nachteilsausgleich
Zur Abschwächung der Nachteile, die den von dieser Maßnahme betroffenen Mitarbeitern entstehen, wird zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat ein Sozialplan (Betriebsvereinbarung Nr. 29) vereinbart.
Den vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Mitarbeitern wird die Möglichkeit eröffnet an einer betrieblichen Betreuungs- und Beschäftigungsmaßnahme teilzunehmen.
Ohne Überprüfung der Betriebsparteien über diese Möglichkeit ist dieser Interessenausgleich unwirksam.
§ 3
Auswahl
Die Auswahl der aus betriebsbedingten Gründen zu kündigenden Mitarbeiter wird von der Geschäftsleitung festgelegt. Die Auswahl dieser Mitarbeiter wird vom Betriebsrat nach sozialen Gesichtspunkten geprüft. Dadurch entfällt nicht die Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG. …”
Als Anlage zum Interessenausgleich vom 23.03.2004 haben die Geschäftsleitung und der Betriebsrat eine Liste unterzeichnet, die eine „Auswahl der Mitarbeiter nach sozialen Kriterien (Kündigung)” enthält, hinsichtlich deren Inhalt auf Blatt 55 der Akte Bezug genommen wird.
Die Beklagte hat den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers mit Schreiben vom 23.03.2004 angehört. Neben den Sozialdaten, die Kündigungsfrist, der derzeitigen Tätigkeit und dem Beendigungszeitpunkt enthält das Anhörungsschreiben, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Blatt 63 der Akte Bezug genommen wird, folgenden Inhalt:
„Kündigungsgrund:
wie in den Gesprächen zum Interessenausgleich ausführlich dargelegt.
Auswahl:
Die soziale Auswahl unter vergleichbaren Arbeitnehmern ist nach allen dem Arbeitgeber bekannten sozialen Gesichtspunkten (Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Familienstand, soziale Verpflichtungen) sowie unter Abwägung der betrieblich unbedingt notwendigen Belange erfolgt. …”
Der Kläger hat vorgetragen,
ein betriebsbedingter Kündigungsgrund sei von der Beklagten nicht ordnungsgemäß dargelegt worden. Sie könne sich vorliegend auch nicht auf § 1 Abs. 5 KSchG berufen, da sie nicht substantiiert vorgetragen habe, dass der Interessenausgleich zwischen ihr und dem Betriebsrat auf „gleicher Augenhöhe” verhandelt worden sei. Insofern habe die Beklagte darlegen müssen, dass und wie Interessenausgleichsverhandlungen geführt worden seien. Schließlich sei aus den Angaben der Beklagten nicht eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats feststellbar, sowie eine ordnungsgemäß durchgeführte Sozialauswahl.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 30.03.2004, zugegangen am 02.04.2004 nicht beendet wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen,
das ...