REVISION / ZUGELASSEN NEIN

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Warnstreik. tarifliche Forderung nach „Einführung der 35-Stunden-Woche” bei vollem Lohnausgleich. Friedenspflicht Interessenabwägung im Rahmen des Verfügungsgrundes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Warnstreiks, die die Gewerkschaft anläßlich der Verhandlungen über Arbeitszeitverkürzung zur Unterstützung ihrer Öffentlich propagierten Forderung nach „Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich” durchführt, verstoßen nicht gegen die Friedenspflicht aus den Lohn- und Gehaltstarifverträgen.

2. Der Verfügungsgrund für den Erlaß einer Leistungsverfügung erfordert eine umfassende Abwägung der Interessen beider Parteien; dabei geht es darum, die Nachteile gegenüberzustellen, die sich für Antragsteller und Antragsgegner jeweils daraus ergeben können, daß die einstweilige Verfügung zu Unrecht erlassen wird.

 

Normenkette

GG Art. 9 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Urteil vom 19.03.1987; Aktenzeichen 3c Ca 487)

 

Tenor

Die Berufung des Antragstellers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 19.03.1987 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin zu 1), bis zum 31.03.1987 Arbeitskampfmaßnahmen zu unterlassen, ferner, die Arbeitnehmer aufzufordern, vor dem 31.03.1987 keine Maßnahmen des Arbeitskampfes zu ergreifen.

Die Antragsgegnerin zu 1) hat auf ihrem Gewerkschaftstag 1977 die Forderung nach der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich erhoben. Der Antragsgegner zu 2) ist Bezirksleiter der Antragsgegnerin zu 1) in Hamburg. Die Antragsgegnerin zu 1) und Arbeitgeberverbände der Metallindustrie, darunter der Antragsteller, haben die „Schlichtungs- und Schiedsvereinbarung für die Metallindustrie”, gültig ab 01.01.1980, getroffen (= Schlichtungsvereinbarung). Der Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 1) sind Vertragspartner der Manteltarifverträge Teil 2 für gewerbliche Arbeitnehmer sowie für die Angestellten in der Metallindustrie Schleswig-Holsteins vom 11.07.1984 (= Arbeitszeit-MTVe) und der Lohn- und Gehaltstarifverträge für die Arbeitnehmer der Metallindustrie in Schleswig-Holsteins vom 30.05.1986 (= Lohn- und Gehaltstarifverträge), ferner des Tarifvertrages über Ausbildungsvergütung. Mit Schreiben vom 08.09.1986 kündigte die Antragsgegnerin zu 1) die Arbeitszeit-MTVe fristgemäß zum 31.12.1986. Auf ihrem 15. ordentlichen Gewerkschaftstag vom 19. bis 25.10.1986 bekräftigte die Antragsgegnerin zu 1) ihre tarifpolitische Forderung nach der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Das „Handelsblatt” berichtete unter dem 06.11.1986, daß nach Auskunft der Antragsgegnerin zu 1) die 35-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich tarifpolitisch für 1987 die zentrale Forderung sei. In ihrer für Funktionäre herausgegebenen Monatsschrift „Der Gewerkschafter” führt die Antragsgegnerin zu 1) u. a. aus, daß Arbeitszeitverkürzung und voller Lohnausgleich zusammengehörten. Mit Schreiben vom 01.12.1986 machte die Antragsgegnerin zu 1) gegenüber dem Antragssteller ihre „Forderungen zu den Manteltarifverträgen für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende” geltend, nämlich „Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich”; die ausformulierten Forderungen lagen dem Schreiben als Anlage bei. Die Verhandlungen über die Arbeitszeit-MTVe begannen mit der ersten Verhandlungsrunde am 17.12.1986. Mit Schreiben vom 23.12.1986 bestätigte die Antragsgegnerin zu 1) dem Antragsteller, daß der Termin für die zweite Verhandlungsrunde „über die Einführung der 35-Stunden-Woche” auf den 22.01.1987 festgelegt worden sei. In dem Sonderrundschreiben Nr. 01/87 vom 06.01.1987 des Antragstellers heißt es auf S. 2 u. a.:

„Mit unterschiedlichem Nachdruck verlangte die IG Metall, über die Neuregelung der Arbeitszeit vorab zu verhandeln und den Lohnausgleich für die Arbeitszeitverkürzung später mit den Lohn- und Gehaltserhöhungen zu behandeln.”

Zu der zweiten Verhandlungsrunde „über die Einführung der 35-Stundenwoche” lud die Antragsgegnerin zu 1) den Antragsteller auf den 22. Januar 1987 ein.

In dem Flugblatt „metall Nachrichten” Nr. 6/Februar 1987 der Antragsgegnerin zu 1) heißt es u. a.:

„Solidarisch für die 35!”

In dem „Metallpressedienst” der Antragsgegnerin zu 1) vom 13.02.1987 heißt es u. a.:

„Mit bundesweiten Warnstreiks will die IG Metall die Arbeitgeber zum Einlenken bei den Verhandlungen um die 35-Stunden-Woche zwingen.”

Mit Schreiben vom 16.02.1987 kündigte die Antragsgegnerin zu 1) die Lohn- und Gehaltstarifverträge zum 31.03.1987, ferner den TV über Ausbildungsvergütung, und forderte u. a. Erhöhung der Tarifgehälter sowie der Tariflöhne um 5 % „auf der Grundlage der um den Prozentsatz der Arbeitszeitverkürzung erhöhten tariflichen Stundenlöhne”. In einer diesem Schreiben anliegenden „Anmerkung” heißt es:

Wir erinnern in diesem Zusammenhang an den mit der 35-Stunden-Woche geforderten vollen Lohnausgleich sowie unsere Erklärung, seine Verwirklichung im Zusammenhang mit der nunmehr geforderten Erhöhung der Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen...

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