Entscheidungsstichwort (Thema)

Klage des Vermieters auf künftige Räumung vor Ablauf der Widerspruchsfrist nach BGB § 556a

 

Leitsatz (amtlich)

Die Klage des Vermieters auf künftige Räumung nach ZPO § 29 ist auch schon vor Ablauf der dem Mieter gemäß BGB § 556a zustehenden Widerspruchsfrist zulässig.

 

Normenkette

ZPO §§ 91a, 93, 259; BGB § 564 Abs. 2 Nr. 2, § 556a

 

Verfahrensgang

AG Herne (Entscheidung vom 07.05.1982; Aktenzeichen 18 C 76/82)

 

Tatbestand

Die Klägerin kündigte mit Schreiben vom 30.3.1981 das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis unter Berufung auf Eigenbedarf für die im gleichen Hause in der Dachgeschoßwohnung in beengten Verhältnissen wohnende Familie ihres Sohnes zum 31.3.1982. Die Beklagten widersprachen dem Räumungsbegehren am selben Tage schriftlich. Mit Schreiben vom 31.3.1981 wiederholte die Klägerin unter weiterer Spezifizierung des Eigenbedarfs ihr Räumungsbegehren und wies auf das Widerspruchsrecht der Beklagten nach § 556a BGB hin. Mit Anwaltsschreiben vom 16.12.1981 erklärten die Beklagten förmlich den Widerspruch nach § 556a BGB und begründeten ihn mit der langen Mietdauer und der in zweieinhalb Jahren anstehenden Pensionierung des beklagten Ehemannes, nach der sie ohnehin auszuziehen beabsichtigten. Zugleich boten sie einen Wohnungstausch mit der Familie des Sohnes der Klägerin an. Mit Schreiben vom 19.12.1981 wies die Klägerin den Widerspruch und das Tauschangebot zurück mit der Begründung, daß der Wohnraumbedarf der Familie ihres Sohnes, bestehend aus den Eltern und drei Kindern einschließlich eines mongoloiden Kindes, nur durch die Inanspruchnahme der derzeit innegehaltenen Dachwohnung und der Wohnung der Beklagten befriedigt werden könne. Zugleich setzte die Klägerin den Beklagten unter Androhung der Räumungsklage eine Erklärungsfrist bis zum 30.12.1981. Auf dieses Schreiben antworteten die Beklagten nicht, so daß die Klägerin am 15.1.1982 die Klage einreichte. Nach Zustellung der Klageschrift erkannten die Beklagten den Räumungsanspruch an und beide Seiten erklärten unter Verwahrung gegen die Kostenlast den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Mit dem angefochtenen Beschluß wurden der Klägerin unter Berufung auf die Vorschrift der §§ 93, 259 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, weil die Beklagten ungeachtet ihres Schreibens vom 16.12.1981 keinen Anlaß zur Besorgnis nicht rechtzeitiger Räumung gegeben hätten. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die die Auffassung vertritt, die Voraussetzungen einer Klage auf künftige Räumung im Sinne von § 259 ZPO hätten vorgelegen. Die Beklagten machen demgegenüber geltend, sie hätten die künftige Räumung nicht ernsthaft verweigert.

 

Entscheidungsgründe

Die gem. §§ 91a Abs. 2, 577 ZPO zulässige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Die Kosten des Rechtsstreits waren den Beklagten aufzuerlegen, denn sie hätten bei Fortführung des durch die einverständliche Erledigungserklärung beendeten Rechtsstreits unterliegen müssen.

Die Klage war ungeachtet der zum Zeitpunkt ihrer Einreichung noch laufenden Kündigungsfrist und Widerspruchsfrist zulässig. Die Kammer folgt insoweit der wohl herrschenden Meinung, wonach für eine Klage auf künftige Räumung von Wohnraum notwendig aber auch ausreichend ist, daß nach den Umständen des Falles die Besorgnis des Vermieters gerechtfertigt ist, der Mieter werde die Wohnung nicht rechtzeitig räumen, d.h. wenn der Mieter den Kündigungsgrund nicht gelten läßt und seine Verpflichtung, nach Ablauf der bestimmten Kündigungsfrist die Wohnung zu räumen, bestreitet (vgl. Zöller/Stephan, 13. Aufl., § 259 Anm. 1 m.w.N.; Baumbach/Lauterbach/ Hartmann, § 259 Anm. 1 B; Stein/Jonas/Schumann/Leipold, 19. Aufl., § 257 Anm. IV. 4; Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 4. Aufl., B 554; Köhler, Handbuch der Wohnraummiete, § 196; LG Bonn NJW 1971, 433; LG Aachen MDR 1976, 848). Der Gegenmeinung (vgl. z.B. OLG Celle NJW 1966, 668; LG Hamburg MDR 1971, 138 und 397 m.w.N.), die unter Berufung auf die Schutzfunktion des sozialen Mietrechtes, wie sie sich insbesondere in dem Widerspruchsrecht des Mieters nach § 556a BGB manifestiere, eine Einschränkung der Klagemöglichkeit aus § 259 ZPO vertritt, vermag die Kammer nicht zu folgen. Diese Meinung will zwischen den Bestimmungen der §§ 257, 259 ZPO und des § 556a BGB eine Verknüpfung herstellen, die der Gesetzgeber weder bei der Einführung des § 556a BGB noch bei der Änderung der zivilprozessualen Vorschriften zum Ausdruck gebracht hat und die auch für einen billigen Interessenausgleich zwischen Vermieter und Mieter weder erforderlich noch gerechtfertigt ist (vgl. insbesondere LG Bonn a.a.O.). Der Mieter wird durch eine Klage auf künftige Räumung zwar unter Umständen gezwungen, die Gründe, auf die er seinen Widerspruch nach § 556a BGB stützen will, schon darzulegen, bevor die ihm vom Gesetz dafür eingeräumte Frist bis spätestens zwei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist abgelaufen ist. Das erscheint aber nicht unbillig, denn der Mieter muß in einem solchen F...

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