Leitsatz (amtlich)
Ein Beschluss, mit dem nach Ablauf des Wirtschaftsjahres rückwirkend ein Wirtschaftsplan beschlossen wird, ist nicht nichtig, so dass die Eigentümer die beschlossenen Vorauszahlungen zu erbringen haben.
Verfahrensgang
AG Michelstadt (Urteil vom 24.09.2019; Aktenzeichen 2 C 802/18 (01)) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Michelstadt vom 24.09.2019 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 5.000 EUR.
Tatbestand
I.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind noch Forderungen aus Wirtschaftsplänen für die Zeit vom 1. Januar 2016 mit Unterbrechungen bis 30.11.2017, die auf einen Beschluss über den Wirtschaftsplan vom 17. März 2017 gestützt werden. Das Amtsgericht hat der Klage auch insoweit stattgegeben, hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er weiter die Nichtigkeit des Beschlusses über den Wirtschaftsplan einwendet.
….
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Insoweit kann zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die amtsgerichtliche Entscheidung Bezug genommen werden. Zu Recht und mit zutreffender Argumentation ist das Amtsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Zahlungsanspruch aufgrund des Beschlusses über den Wirtschaftsplan besteht.
Soweit die Berufung sich darauf stützt, dass die Wirtschaftspläne, welche nach Ablauf des Planjahres und der Beschlussfassung über die Abrechnung gefasst wurden, nichtig seien und daher die Klageforderung nicht begründen können, so kann dieser Einwand keinen Erfolg haben. Für den Zeitraum nach Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan schon deshalb nicht, weil für diesen Zeitraum unproblematisch noch ein Wirtschaftsplan beschlossen werden kann. Die Kammer ist allerdings der Auffassung, dass auch die Beschlussfassung über einen Wirtschaftsplan für einen abgeschlossenen Zeitraum zwar im Regelfall anfechtbar, aber nicht nichtig, ist.
Eine Nichtigkeit würde voraussetzen, dass eine entsprechende Beschlusskompetenz nicht besteht. Diese ergibt sich indes aus § 28 Abs. 1 WEG. Eine Begrenzung auf ein zukünftiges Wirtschaftsjahr ist dabei vom Wortlaut der Norm nicht zwingend vorgesehen. Zwar wird teils eine entsprechende Kompetenz verneint (Niedenführ in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten WEG § 28 Rn. 20; Bärmann/Becker § 28 Rn. 14). Der Bundesgerichtshof hat jedoch bereits entschieden, dass auch nach Ablauf eines Jahres ein Beschluss über den Wirtschaftsplan gefasst werden kann (BGH NJW 2014, 2197 Rn. 21). Dieser in der Rechtsprechung geteilten Ansicht (vgl. nur LG Saarbrücken ZMR 2014, 150; LG Hamburg ZMR 2015, 784), die auch in der Literatur Zustimmung erfahren hat (vgl. nur Bärmann/Pick/Emmerich, 20. Aufl. 2020, WEG § 28 Rn. 18; Staudinger/Häublein (2018) WEG § 28 Rn. 236) folgt auch die Kammer. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist es für die Beschlusskompetenz nicht maßgeblich, ob es sich – wie im Falle der Entscheidung des BGH – um einen Zweitbeschluss handelte, denn eine Kompetenz für die Aufstellung eines Wirtschaftsplans folgt in jedem Falle aus § 28 Abs. 1 WEG.
Für die hier alleine maßgebliche Frage der Beschlusskompetenz kommt es nicht darauf an, ob es sich um einen Erst- oder einen Zweitbeschluss handelt, denn die Rechtslage ist insoweit unabhängig davon gleich, ob es – wie hier – keinen Beschluss über einen Wirtschaftsplan gab oder aber – wie im Falle des BGH – der vorangegangene Beschluss über den Wirtschaftsplan nichtig war. Dies bereits deshalb, weil auch ein nichtiger Beschluss keinerlei Rechtswirkungen entfaltet (BGH NJW-RR 2011, 1383 Rn. 52), so dass rechtlich kein Unterschied besteht, ob ein nichtiger Beschluss gefasst war oder überhaupt kein Beschluss existierte.
Ob die rückwirkende Aufstellung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, hieran bestehen vorliegend zwar erhebliche Zweifel, darauf kommt es aber nicht an, da der Beschluss nicht fristgerecht angefochten wurde (§§ 23 Abs. 4, 46 WEG).
Demnach besteht der geltend gemachte Zahlungsanspruch.
Eine Verwirkung liegt nicht vor, die Kammer teilt insbesondere die Auffassung des Amtsgerichts, dass innerhalb des kurzen Verjährungszeitraums von 3 Jahren in aller Regel kein Raum für eine Verwirkung ist, da hier das Zeitmoment bereits nicht gegeben ist.
Daneben fehlt es aber auch am Umstandsmoment, dies bereits deshalb, weil der Beklagte selbst ein Schreiben des Verwalters vom März 2017 mit einer Mahnung vorgelegt hat, damit konnte der Beklagte nicht davon ausgehen, die WEG würde auf das Hausgeld verzichten. Gerade innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft, in der die Eigentümer in einer besonderen Treuebeziehung stehen, bedarf es besonderer Umstände, damit ein Eigentümer davon ausgehen kann, die WEG würde auf die Durchsetzung ihrer Hausgeldansprüche verzichten und die übrigen Eigentümer diese dem säumigen Eigentümer finanzie...