Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlass

 

Verfahrensgang

AG Göttingen (Beschluss vom 19.02.2004; Aktenzeichen 9 VI 7/78)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Beschwerdewert: 25.000,00 Euro

 

Tatbestand

I.

1. Das Amtsgericht – Nachlassgericht – hat in einem als Vorbescheid anzusehenden Beschluss vom 19. Februar 2004 auf die Anträge des Antragstellers vom 24. Februar und 5. September 2003 seine Absicht bekundet, den bestehenden Erbschein nach der Erblasserin vom 19. Mai 1992 als unrichtig einzuziehen und einen neuen Erbschein dahin zu erteilen, dass der Antragsteller die Erblasserin mit dem am 22. August 2002 durch den Tod der – alleinigen – Vorerbin Ortrud Rawengel geborene Hille (fortan Ortrud Rawengel) eingetretenen Nacherbfall allein beerbt hat, sofern gegen diesen Beschluss nicht binnen 2 Wochen Beschwerde eingelegt wird.

Dies hat die Antragsgegnerin am 2. März 2004 getan, nachdem ihr der Beschluss am 23. Februar 2004 zugestellt worden war.

2. Das Rechtsmittel ist zulässig.

Der grundsätzlich einfachen Beschwerde nach § 19 FGG unterliegt der im Gesetz nicht geregelte Vorbescheid im Erbscheinsverfahren. Durch letzteren sollen die von einem unrichtigen Erbschein ausgehenden Gefahren vermieden werden. Die in Beschlussform gefasste Ankündigung des Nachlassgerichts hat zwar keine instanzbeendende Wirkung, wird aber von der Praxis seit langem als eine anfechtbare (Zwischen-)Verfügung anerkannt. Ihr alleiniger Zweck es ist, Schäden zu verhindern, die im Hinblick auf die Publizitätswirkung des Erbscheins eintreten und rückwirkend nicht beseitigt werden können, falls der erteilte Erbschein später als unrichtig eingezogen wird (BGHZ 20, 255/257; KG OLGZ 1991, 144; BayObLG FGPrax 1998, 146 m.w.V.). Durch eine sodann als beschwerdefähig zu behandelnde Entscheidungsankündigung erhalten die beiden Rechtsmittelgerichte Gelegenheit, die vom Nachlassgericht zu treffende Entscheidung zu überprüfen.

Die Antragsgegnerin ist auch beschwerdebefugt. Sie wird durch die vom Nachlassgericht beabsichtigten Entscheidungen in ihren Rechten betroffen.

Zur Sachverhaltsdarstellung wird zunächst auf den angegriffenen Beschluss Bezug genommen.

Der Antragsteller ist testamentarischer Alleinerbe nach der verstorbenen Schwester der Erblasserin, Martha Frohme aus Göttingen (9 IV 508/77 AG Göttingen).

Die Antragsgegnerin ist durch privatschriftliches Testament der am 22. August 2002 verstorbenen Tochter der Erblasserin, Ortrud Rawengel aus Berlin, vom 29. Februar 1982 zur alleinigen Erbin bestimmt worden. Bezüglich deren Nachlass ist ein weiteres Erbscheinsverfahren anhängig, in dem die Beteiligten dieses Verfahrens einen Erbschein über die Alleinerbschaft wechselseitig für sich reklamieren. Das Amtsgericht – Nachlassgericht – Wedding hat den gestellten Erbscheinsantrag des Antragstellers durch Beschluss vom 14. Juli 2003 zurückgewiesen (61 VI 542/02 E). Über seine Beschwerde hat das Landgericht Berlin noch nicht entschieden (83 T 485/03).

Grundlage für die Entscheidung über die gestellten Anträge ist das am 10. April 1968 zur UR-Nr. 87/1968 des Notars Dr. Dietrich Raspe in Berlin „durch mündliche Erklärung” der Beteiligten errichtete Testament der am 15. März 1892 geborenen Erblasserin und ihrer am 28. Juli 1923 geborenen, verwitweten und kinderlos gebliebenen Tochter Ortrud Rawengel. Zum Inhalt der beurkundeten mündlichen Erklärungen wird auf die Urkunde verwiesen. Sämtliche in der Urkunde benannten Personen sind inzwischen verstorben, nämlich die Erblasserin am 24. November 1977, ihre Schwestern Ely und Martha am 9. Februar 1975 bzw. 1. August 1979 sowie Kurt Rammler am 1. Februar 1975.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Die zweifelsfrei als letztwillige Verfügung zu bezeichnenden beurkundeten Erklärungen der Erblasserin und von Ortrud Rawengel vom 10. April 1968 bedürfen der Auslegung. Insoweit folgt die Kammer dem angegriffenen Beschluss. Dessen Entscheidungen greift die Antragsgegnerin im Ergebnis zu Unrecht an. Mit dem Tod von Ortrud Rawengel ist der Nacherbfall eingetreten. Das bedingt, dass der bestehende Erbschein vom 19. Mai 1992 als unrichtig einzuziehen (§ 2361 BGB) und ein neuer zu erteilen ist.

1. Bei dem Testament handelt es sich sowohl der äußeren Form nach wie nach seinem erkennbaren, vom Willen der Erklärenden getragenen Inhalt um ein gemeinschaftliches im Sinne der §§ 2265 ff. BGB. Der Umstand, dass die Beteiligten keine Ehegatten sind, führt nicht dazu, die letztwilligen Verfügungen nicht als gemeinschaftliches Testament zu qualifizieren. Dem steht nur das eher formale Argument entgegen, dass der beurkundende Notar hätte wissen müssen, dass die Möglichkeit der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments – verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG NJW 1989, 1986) – auf Ehegatten beschränkt und Dritten nicht eröffnet ist. Es beseitigt indes die Wirkung der vorgenannten Umstände nicht.

Nichtehegatten können sich nämlich des Instituts eines geme...

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