Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung der Beschwer des mit der Zustimmungsklage zur Mieterhöhung abgewiesenen Vermieters
Leitsatz (amtlich)
(abgedruckt in Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Die Beschwer des mit der Zustimmungsklage zur Mieterhöhung im unbefristeten Mietverhältnis abgewiesenen Vermieters bemißt sich am Jahresbetrag der erstrebten Mietzinserhöhung.
Orientierungssatz
Entgegen LG Bonn, 1983-07-08, 6 T 158/83, WuM 1985, 129, LG Lübeck, 1983-10-25, 6 S 296/83, WuM 1985, 128, LG Mannheim, 1981-06-03, 4 S 10/81, WuM 1985, 128, LG München I, 1985-09-25, 14 S 13324/85, ZMR 1986, 90, LG Kaiserslautern, 1978-11-30, 5 T 51/78, ZMR 1979, 82, LG Hagen (Westfalen), 1986-12-30, 10 S 342/86, ZMR 1987, 97 und LG Köln, 1986-01-16, 6 S 231/85, ZMR 1986, 124.
Gründe
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Die Berufung ist unzulässig, weil die Berufungssumme des § 511a ZPO - mehr als 700,- DM - nicht erreicht ist. Die Beschwer der Klägerin beträgt lediglich 360,- DM. Das ist der Jahresbetrag der von der Klägerin erstrebten Mietzinserhöhung nach § 2 MHG.
Ob sich der für § 511a ZPO maßgebende Verfahrensstreitwert aus §§ 12 Abs. 1, 16 Abs. 5 GKG - Jahresbetrag des zusätzlich geforderten Mietzinses - ergibt oder ob diese Vorschriften nur für den Gebührenstreitwert gelten (so die Absicht des Gesetzgebers, vgl. BVerfG NJW 1985, Seite 2249, 2250 (= WM 1985, 110 und 1986, 80 (L.))), kann offenbleiben. Denn auch nach dem ansonsten geltenden § 3 ZPO bemißt die Kammer den Streitwert auf den Jahresbetrag des zusätzlich geforderten Zinses. Die Ermessensnorm des § 3 ZPO wird nicht verdrängt durch § 9 ZPO. Denn diese Vorschrift findet auf Mieterhöhungsklagen jedenfalls bei unbefristet abgeschlossenen Mietverhältnissen keine Anwendung (OLG Köln WM 1985, 126; Stein/Jonas/Schumann, ZPO 20. Aufl. 1984, § 9 Rn. 3).
Bei der danach gemäß § 3 ZPO erforderlichen Ermessensentscheidung lehnt sich die Kammer an die Regelung des § 16 Abs. 5 GKG an. Der Gesetzgeber hat durch diese Vorschrift einen Anhaltspunkt geschaffen, dessen Beachtung auch bei der Festsetzung des Verfahrensstreitwertes zu einer klaren Rechtslage führt. Überzeugende Gründe, bei unbefristeten Mietverhältnissen den Verfahrensstreitwert höher als den Gebührenstreitwert festzusetzen, spricht die Kammer nicht. Zwar ist im Rahmen des § 3 ZPO grundsätzlich auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen und anhand dessen zu prüfen, wie hoch das wirtschaftliche Interesse des Klägers oder Berufungsklägers ist. Da aber im Regelfall - so auch hier - die zukünftige Dauer des Mietverhältnisses völlig ungewiß ist, fehlt es an nachvollziehbaren Anknüpfungstatsachen für die Bemessung des wirtschaftlichen Interesses. So läßt sich nicht überzeugend begründen, wieso das wirtschaftliche Interesse des Vermieters etwa in dem dreifachen Jahreszusatzbetrag (so LG Bonn WM 1985, 129; LG Lübeck WM 1985, 128f.; LG Mannheim WM 1985, 128; LG München ZMR 1986, 90), in dem vierfachen Jahreszusatzbetrag (so LG Kaiserslautern ZMR 1979, 82f.), in dem fünffachen Jahreszusatzbetrag (so LG Hagen ZMR 1987, 97) oder in dem fünfzehnfachen Monatszusatzbetrag (so LG Köln ZMR 1986, 124) bestehen soll. Angesichts dieser tatsächlichen Unsicherheit erscheint es angemessen, auch bei dem Verfahrensstreitwert wie bei dem Gebührenstreitwert von dem Jahresbetrag des zusätzlich geforderten Mietzinses auszugehen (ebenso LG Frankenthal WM 1985, 130; LG Hamburg WM 1985, 127 und WM 1987, 60; LG Köln WM 1987, 159; LG Münster JB 1984, 453; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 46. Aufl. 1988, Anhang zu § 3, Stichwort Mietverhältnis d; Stein/Jonas/Schumann, a.a.O., § 9 Rn. 3 Fn. 14; Thomas/Putzo, ZPO 15. Aufl. 1987, § 3 Anm. 2, Stichwort Mietstreitigkeiten-Mieterhöhungsklage).
Dieser Lösung kann nicht entgegengehalten werden, daß sie für den Vermieter unbillig sei. Denn er kann später erneut die Zustimmung zu einer - dann höheren - Mieterhöhung verlangen. Im Rahmen des dann ggf. neu zu führenden Rechtsstreits muß unabhängig von der vorherigen Klageabweisung das gesamte neue Mieterhöhungsverlangen überprüft werden. Wenn dann die Berufungssumme erreicht ist, kann diese Überprüfung auch in vollem Umfang in die zweite Instanz getragen werden.
Ob auch bei einer Berufung des Mieters gegen ein dem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters stattgebendes Urteil der Verfahrensstreitwert auf den Jahreszusatzbetrag festzusetzen ist, bleibt offen. Insoweit könnte von Bedeutung sein, daß der Mieter die Begründetheit des Mieterhöhungsverlangens im Rahmen eines späteren Rechtsstreits über ein weiteres Mieterhöhungsverlangen nicht mehr nachprüfen lassen kann, sondern daß sich die zukünftigen Mieterhöhungsverlangen des Vermieters auf dem einmal erhöhten Mietzins aufbauen.
Ebenfalls offen bleibt, wie der Verfahrensstreitwert bei befristeten Mietverhältnissen festzusetzen ist.
Die hier vertretene Lösung führt im Ergebnis zu einer Verringerung des Kostenrisikos des Mieters bei Mieterhöhungsprozessen, die danach nicht berufungsfähig sind. Der Mieter braucht dann ...