Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe für Ausländer. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Leistungseinschränkung bei Verstoß gegen eine Wohnsitzauflage

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Anspruchsbeschränkung nach § 23 Abs 5 SGB XII bei Verletzung einer Wohnsitzauflage.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts S. vom 9. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren und Beiordnung von Rechtsanwalt H. wird abgelehnt.

 

Gründe

1. Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig.

2. Die Beschwerde des nach eigenen Angaben 1972 geborenen Antragstellers, der die Staatsangehörigkeit der Arabischen Republik Ägypten hat, ist aber unbegründet. Der Antragsteller verfolgt mit seiner Beschwerde weiter das Begehren, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in gesetzlicher Höhe ab dem 21. September 2017 zu gewähren. Das Sozialgericht S. (SG) hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung jedoch zu Recht abgelehnt.

a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Dabei dürfen sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss des Ersten Senats vom 13. April 2010 - 1 BvR 216/07 - juris Rdnr. 64; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 6. August 2014 - 1 BvR 1453/12 - juris Rdnr. 9). Eine Folgenabwägung ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn eine Prüfung der materiellen Rechtslage nicht möglich ist (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. September 2016 - 1 BvR 1335/13 - juris Rdnr. 20).

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht isoliert nebeneinander; es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt (vgl. Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 - L 15 AS 365/13 B ER - juris Rdnr. 18; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Januar 2007 - L 7 SO 5672/06 ER-B - juris Rdnr. 2). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 - L 15 AS 365/13 B ER - juris Rdnr. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Februar 2007 - L 9 AS 254/06 ER - juris Rdnr. 4). Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. Auch dann kann aber nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 - L 15 AS 365/13 B ER - juris Rdnr. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Februar 2007 - L 9 AS 254/06 ER - juris Rdnr. 4).

b) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Bereits ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht. Dem geltend gemachten Anspruch steht § 23 Abs. 5 Sätze 1 und 2 SGB XII (in der Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 [BGBl. I S. 1939], geändert mit Wirkung zum 6. August 2016) entgegen.

aa) Gemäß § 23 Abs. 5 Satz 1 SGB XII, der Nachfolgevorschrift zu § 120 Abs. 5 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), darf der für den Aufenthaltsort örtlich zuständige Träger nur die nach den Umständen des Einzelfalls gebotene Leistung erbringen, wenn sich ein Ausländer entgegen einer räumlichen Beschränkung im Bundesgebiet aufhält oder er seinen Wohnsitz entgegen einer Wohnsitzauflage oder einer Wohnsitzregelung nach § 12a des Gesetzes über den...

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