Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. selbständige Tätigkeit. abhängige Beschäftigung. einheitliches Beschäftigungsverhältnis. keine rechtliche Einordnung im Wege der Privatautonomie

 

Orientierungssatz

1. Einnahmen, die im Zusammenhang mit einer Beschäftigung erzielt werden, sind auch solche aus selbständigen Tätigkeiten in einem so genannten einheitlichen Beschäftigungsverhältnis.

2. Die selbständige Tätigkeit ist mit der abhängigen Beschäftigung zu einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis verbunden, wenn sie nur aufgrund der abhängigen Beschäftigung ausgeübt wird, in diese zeitlich, örtlich, organisatorisch und inhaltlich eingebunden, im Verhältnis zur Beschäftigung nebensächlich ist und daher insgesamt als ein Teil der abhängigen Beschäftigung erscheint. Eine gemischte Tätigkeit liegt im Gegensatz dazu vor, wenn die selbständige Tätigkeit im Wesentlichen neben der Beschäftigung und unabhängig von ihr ausgeübt wird. Für die Abgrenzung kommt es in erster Linie auf die tatsächlichen Verhältnisse an, und die Bedeutung der zivilrechtlichen Vertragsverhältnisse tritt demgegenüber zurück. Ob ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis oder eine gemischte Tätigkeit vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl BSG vom 3.2.1994 - 12 RK 18/93 = SozR 3-2400 § 14 Nr 8).

3. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schließen es aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragspartner und deren Vereinbarungen zu entscheiden (vgl BSG vom 29.1.1981 - 12 RK 63/79 = BSGE 51, 164 = SozR 2400 § 2 Nr 16).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 19.12.2011; Aktenzeichen B 12 KR 42/11 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit von Beitragsnachforderungen der Beklagten für zwei Mitarbeiterinnen der Kläger; ausschlaggebend ist, ob diese Nebentätigkeiten im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis verrichteten oder ohne einen solchen Zusammenhang.

Der Kläger zu 1) betreibt seit vielen Jahren eine Rechtsanwaltskanzlei, der Kläger zu 2) ist im Jahre 2004 in diese eingetreten. Die Beigeladenen zu 7) und 8) arbeiteten in den Jahren, in denen die streitigen Nebentätigkeiten verrichtet wurden, als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte in der Kanzlei. Die Beigeladene zu 8) übte die Tätigkeit einer Bürovorsteherin aus, sie war in dieser Tätigkeit 25 Stunden wöchentlich tätig und war darüber hinaus Lehrbeauftragte an der Technischen Fachhochschule B. T. für das Fach Organisation von Anwaltskanzleien. Sie betreibt als Alleingesellschafterin-Geschäftsführerin die D S. GmbH, die Seminare für Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen und deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen anbietet.

Der Kläger zu 1) schloss mit den Beigeladenen zu 7) und 8) in den Jahren 1999 bis 2002 Honorarverträge ab, und zwar

mit der Beigeladenen zu 7)

- am 13. August 2001 für die Erarbeitung eines Konzeptes zu Marketing und Werbung der Kanzlei, am 23. November 1999 für den Neukauf und die Neuorganisation der EDV-Anlage der Kanzlei,

und mit der Beigeladenen zu 8)

- am 15. März 1999 über die Durchführung der Vorauswahl für einen neu einzustellenden Rechtsanwalt,

- am 15. Mai 2000 über die Auswahl einer Nachfolgerin der Beigeladenen zu 7).

In den Honorarverträgen wurden die Beigeladenen zu 7) und 8) verpflichtet, diese Tätigkeiten ausschließlich außerhalb ihrer üblichen Arbeitszeit und ausschließlich außerhalb der Kanzleiräume auszuüben. Anlässlich einer im Jahr 2004 durchgeführten Betriebsprüfung in der Kanzlei gelangte die Beklagte zur Auffassung, die Honorare seien zusätzliches Arbeitsentgelt. Daher forderte sie von den Klägern Sozialversicherungsbeiträge aus der Gesamthonorarsumme von 26.583,54 € in Höhe von 9.995,00 € (Bescheid vom 28. Dezember 2005).

Den Widerspruch hiergegen, der damit begründet wurde, es habe sich bei den Honorartätigkeiten der Beigeladenen zu 7) und 8) nicht um die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit gehandelt, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03. August 2006 zurück. Die Nebentätigkeiten hätten im Zusammenhang mit der Hauptbeschäftigung als Arbeitnehmer gestanden.

Hiergegen hat sich die am 05. September 2006 beim Sozialgericht erhobene Klage gerichtet. Die Kläger vertreten die Auffassung, die Honorartätigkeiten hätten mit dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses keinen Zusammenhang gehabt. Die Honorarkräfte seien mit ihren Angeboten an den Kläger zu 1) herangetreten und es seien lediglich Erfolgshonorare vereinbart gewesen. Der Kläger zu 1) habe auch mit anderen Bewerbern Kontakt über Aufträge aufgenommen, den Beigeladenen zu 7) und 8) jedoch wegen günstigerer Preise den Vorzug gegeben.

Die Beklagte ist dem unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide entgegengetreten.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urte...

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