Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. Sozialgerichtsbarkeit. Verwaltungsgerichtsbarkeit. Hausverbot eines Sozialleistungsträgers gegenüber Leistungsempfänger. Rechtsschutzgarantie. Rechtswegbeschwerde. einstweiliger Rechtsschutz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Sonderzuweisung des § 51 Abs 1 Nr 4a SGG erstreckt sich nicht auch auf Streitigkeiten um das Hausrecht in den Gebäuden und sonstigen Liegenschaften der Sozialleistungsträger (entgegen BSG vom 1.4.2009 - B 14 SF 1/08 R = SozR 4-1500 § 51 Nr 6).

2. Es erscheint gerade vor dem Hintergrund des Art 19 Abs 4 GG geboten, die völlig zu Anfang des gerichtlichen Rechtsschutzes stehende Frage nach dem einschlägigen Rechtsweg nicht von richterlichen Wertungen und ggf von näherer Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich eines Zusammenhangs zwischen dem Erscheinen des Betroffenen und einem (im weiteren Sinne verstandenen) Verwaltungsverfahren abhängig zu machen (entgegen BSG vom 1.4.2009 - B 14 SF 1/08 R = SozR 4-1500 § 51 Nr 6).

3. Aus § 172 SGG ergeben sich keine Einschränkungen für Rechtswegbeschwerden in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b SGG (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 21.7.2007 - L 23 B 260/06 SO und LSG Celle-Bremen vom 1.11.2005 - L 8 B 38/05 SO).

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 22. November 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat notwendige außergerichtliche Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Die Beschwerde zum Bundessozialgericht wird zugelassen.

 

Gründe

Die am 22. Dezember 2012 erhobene Beschwerde gegen den am 23. November 2012 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts, mit welchem nach dem Tenor der Entscheidung der Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Hamburg verwiesen wurde, ist entgegen der dortigen Rechtsmittelbelehrung statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Die Beschwerde ist statthaft nach § 17a Abs. 4 Satz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) i.V.m. § 202 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und § 172 SGG. Nach § 17a Abs. 4 Satz 3, Abs. 2 GVG ist gegen einen Beschluss, mit dem das Gericht die Unzulässigkeit des beschnittenen Rechtswegs ausspricht und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges verweist, die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Da das SGG die in § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG genannte sofortige Beschwerde nicht kennt, tritt an deren Stelle die Beschwerde nach § 172 SGG (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.2.2007, L 23 B 260/06 SO). Einschränkungen für Rechtswegbeschwerden in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b SGG ergeben sich aus § 172 SGG nicht (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 1.11.2005, L 8 B 38/05 SO).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat sich zu Recht für unzuständig erklärt und die Verweisung an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht ausgesprochen. Der entgegenstehenden Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG, Beschluss vom 1.4.2009, B 14 SF 1/08 R) schließt sich der Senat nicht an (Beschluss des Senats vom 31.7.2012, L 4 AS 246/12 B ER).

Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ergibt sich aus § 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dass es sich bei dem vorliegenden Eilantrag um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne dieser Vorschrift handelt, ist nicht streitig und auch nicht zu bezweifeln. Eine abdrängende Sonderzuweisung, die die Zuständigkeit des Sozialgerichts begründen könnte, findet sich nicht. Insbesondere greift § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG, wonach die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheiden, nicht als abdrängende Sonderzuweisung ein. § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG erstreckt sich - ebenso wie die anderen Tatbestände des Zuständigkeitskataloges - nicht auch auf Streitigkeiten um das Hausrecht in den Gebäuden und sonstigen Liegenschaften der Sozialleistungsträger (so bereits LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5.3.2007, L 16 B 3/07 SF; zum Arbeitsamt: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.2.1998, 25 E 960/97; für Hausverbote in Liegenschaften des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende aus der Zeit nach dem Beschluss des BSG vom 1.4.2009 auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.5.2011, 16 E 174/11; VG Neustadt a.d.W., Beschluss vom 23.2.2010, 4 L 103/10. NW; VG Berlin, Beschluss vom 21.4.2010, 34 K 147.09, und Urteil vom 15.03.2010, 34 K 78.09; VG Hamburg, Beschluss vom 15.12.2011, 5 E 2409/11; zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für Hausverbote in Finanzämtern: FG Münster, Beschluss vom 30.8.2010, 14 K 3004/10). § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG ist einschlägig, wenn das streitige Begehren seine Grundlage im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) findet. Lässt sich dies ...

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