Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Terminsgebühr. Abhängigmachung eines Vergleichsabschlusses vom Erlass eines gerichtlichen Vergleichsbeschlusses. Kostenrecht. Grundsatz von Treu und Glauben. Verpflichtung zur kostensparenden Prozessführung. Vorliegen von objektiven Gründen
Leitsatz (amtlich)
1. Die im jeweiligen Einzelfall ggf gewollte Entstehung einer Terminsgebühr kann in jedem Verfahrensstadium vor der Beendigung eines Rechtsstreits herbeigeführt werden durch die Abhängigmachung der Vergleichsannahme vom vorherigen Erlass eines Beschlusses gemäß § 101 Abs 1 S 2 SGG bzw nach § 202 SGG iVm § 278 Abs 6 ZPO.
2. Aufgrund des - auch das gesamte Kostenrecht beherrschenden - Grundsatzes von Treu und Glauben und des daraus abgeleiteten Missbrauchsverbots ist jede Prozesspartei allerdings verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt.
3. Es müssen objektiv Gründe vorliegen, die es als geboten erscheinen lassen, den gerichtlichen Vergleichsbeschluss auch unabhängig von "gebührenrechtlichen Gründen" zu beantragen.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Stade vom 9. August 2017 wird unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Erinnerung und die Anschlusserinnerung werden zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung in einem Prozesskostenhilfeverfahren.
Der Beschwerdeführer wurde in einem auf die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter dem Aktenzeichen S 32 AS 595/14 gerichteten, am 3. Dezember 2014 anhängig gewordenen Klageverfahren den dortigen vier Klägern als Prozessbevollmächtigter mit Beschluss des Sozialgerichts Stade (SG) vom 6. Februar 2017 beigeordnet. Mit Verfügung vom 6. Februar 2017 unterbreitete das SG den dortigen Beteiligten einen Vergleichsvorschlag, wonach der dortige Beklagte als angemessene Unterkunftskosten für den streitgegenständlichen Zeitraum 660,00 € zuzüglich Heizkosten zahlen sollte und die Kläger die darüberhinausgehende Klage zurücknehmen sollten. Mit Schriftsatz vom 8. März 2017 nahm der Beschwerdeführer den Vergleichsvorschlag für die dortigen Kläger an. Der dortige Beklagte unterbreitete dagegen mit Schriftsatz vom 7. April 2017 ein davon abweichendes Vergleichsangebot. In diesem war lediglich die Zahlung von 602,00 € als angemessene Unterkunftskosten für den streitgegenständlichen Zeitraum zuzüglich Heizkosten vorgesehen. Mit Schriftsatz vom 18. April 2017, beim SG eingegangen am 19. April 2017, stimmte der Beschwerdeführer dem modifizierten Vergleichsvorschlag für die dortigen Kläger zu. In dem gleichen Schriftsatz bat er jedoch das Gericht, aus gebührenrechtlichen Gründen einen ausdrücklichen schriftlichen Vergleich zu formulieren. Dieser Bitte kam das SG nach und erließ am 25. April 2017 einen Beschluss, in dem es den modifizierten Vergleichsvorschlag gerichtlich feststellte.
Am 3. Mai 2017 beantragte der Beschwerdeführer beim SG die Erstattung der Gebühren und Auslagen für seine Tätigkeit in dem Klageverfahren. Abgerechnet wurden dabei nach dem Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102,1008 VV RVG in Höhe von 780,00 €, eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 360,00 €, eine Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG in Höhe von 400,00 €, die Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 € sowie Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 292,60 €, insgesamt also 1.832,60 €. Nach Abzug des bereits erhaltenen Vorschusses auf die Prozesskostenhilfevergütung in Höhe von 702,10 € errechnete er so einen von der Staatskasse noch zu zahlenden Betrag in Höhe von 1.130,50 €.
Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 3. Mai 2017 setzte die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beim SG die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 1.380,40 € fest. Sie setzte dabei die Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr an, was bei einem wegen der Tätigkeit für insgesamt vier Auftraggebern gemäß Nr. 1008 VV RVG um 90 % erhöhten Gebührenrahmen einem Betrag von 570,00 € entsprach. Die Terminsgebühr sei ebenfalls unstreitig angefallen. Diese betrage hier 90% der Verfahrensgebühr, mithin 270,00 €. Auch die Einigungsgebühr sei unstreitig angefallen. Sie sei in Höhe der Verfahrensgebühr anzusetzen, also in Höhe von 300,00 €. Hinzu kamen die Post- und Telekommunikationspauschalen in Höhe von 20,00 € und die Umsatzsteuer in Höhe von 220,40 €. Nach Abzug des bereits erhaltenen Vorschusses auf die Prozesskostenhilfevergütung in Höhe von 702,10 € ergab sich ein von der Staatskasse noch zu zahlender Betrag in Höhe von 678,30 €.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 15. Mai 2017 beim SG Erinnerung einge...