Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. beigeordneter Rechtsanwalt. Verfahrensgebühr. Berücksichtigung des Vorbereitungsaufwands für eine Online-Verhandlung
Orientierungssatz
1. Der Aufwand für die Vorbereitung eines gerichtlichen Termins, der als Videokonferenz durchgeführt wurde, spricht jedenfalls im vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt (Anfang 2021) nicht für einen nur unterdurchschnittlichen Umfang der Angelegenheit.
2. Anwaltliche Tätigkeiten, die der Vorbereitung eines Termins dienen, wirken sich auf die Bemessung der Verfahrens- und nicht auf die Höhe der Terminsgebühr aus.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 23.03.2021 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung der von ihm als Landeskasse zu erstattenden Kosten in Höhe von 1.151,33 EUR für die Führung eines erstinstanzlichen Klageverfahrens.
Die Klägerin wandte sich mit der am 19.11.2019 erhobenen Klage gegen einen Bescheid, mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) ganz aufgehoben hatte. Am 16.02.2021 wurde die Sache in einer Videokonferenz mit den Beteiligten erörtert, nachdem ein früherer Erörterungstermin bereits einmal aufgehoben worden war. In dem Termin, der 32 Minuten dauerte, schlossen die Beteiligten zur Erledigung des Rechtsstreits einen Vergleich. Der Klägerin wurde im Anschluss auf ihren mit Klageerhebung gestellten Antrag unbeschränkt Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin bewilligt.
Am 17.02.2021 beantragte die Beschwerdegegnerin beim Sozialgericht (SG) die Festsetzung zu erstattender Kosten in Höhe von insgesamt 1.151,33 EUR. Dabei legte sie in ihrer Kostennote folgende Gebühren und Auslagen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) i.V.m. dem Vergütungsverzeichnis (VV) zugrunde:
Verfahrensgebühr gemäß § 14 RVG, Nr. 3102 VV RVG: 360,00 EUR
Terminsgebühr gemäß § 14 RVG, Nr. 3106 S. 1 VV RVG: 270,00 EUR
Einigungsgebühr gemäß § 14 RVG, Nr. 1006, 1005 VV RVG: 360,00 EUR
Pauschale für Post und Telekommunikation gemäß Nr. 7002 VV RVG: 20,00 EUR
abzüglich hälftige Beratungshilfe: - 42,50 EUR
Daraus ergab sich ein Nettohonorar in Höhe von 967,50 EUR, nach Hinzuziehung der Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 19 % also der beantragte Gesamtbetrag. Zur Begründung führte die Beschwerdegegnerin aus, die Angelegenheit sei für die Klägerin von besonderer Bedeutung gewesen. Es habe erhebliche sprachliche Barrieren gegeben, so dass die Beschwerdegegnerin nicht nur mit der Klägerin und der Tochter, sondern auch mit einem Bekannten der Klägerin habe Kontakt aufnehmen und Termine gemeinsam wahrnehmen müssen. Dies sei aufgrund der sprachlichen Probleme besonders zeitintensiv gewesen, was sich daran zeige, dass auch im laufenden Verfahren Vortrag abzuändern gewesen sei. Darüber hinaus sei die Angelegenheit für die Klägerin, welche ihren sich im Wachkoma befindlichen Ehemann pflege und ihre Wohnung aufgrund der Nichtzahlung des Jobcenters habe räumen müssen, sehr belastend gewesen. Auch die persönlichen Sorgen seien Gegenstand häufiger Gespräche gewesen. Vor diesem Hintergrund werde die leicht erhöhte Verfahrensgebühr für angemessen gehalten, zumal der Gesetzgeber die Gebühren zum 01.01.2021 angehoben habe, so dass die erhöhte Gebühr der aktuellen Mittelgebühr entspreche. Die Terminsgebühr sei aufgrund der durchschnittlichen Dauer als Mittelgebühr angesetzt worden.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte am 25.02.2021 die zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 770,53 EUR fest, wobei er abweichend von der Beschwerdegegnerin von einer jeweils auf 200 EUR abgesenkten Verfahrens- und Einigungsgebühr ausging. Auf die als Erinnerung ausgelegte sofortige Beschwerde der Beschwerdegegnerin vom 02.03.2021, womit sie ergänzend geltend machte, dass die Teilnahme an der Online-Verhandlung mit einem erhöhten Vorbereitungsaufwand verbunden gewesen sei, setzte das SG mit Beschluss vom 23.03.2021 die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 1.151,33 EUR fest. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei vorliegend (noch) durchschnittlich gewesen. Die Beschwerdegegnerin habe die Klageschrift nebst Begründung eingereicht. Darüber hinaus berücksichtige das Gericht, dass die Durchführung einer Online-Verhandlung mit einem erhöhten Aufwand verbunden gewesen sei. Damit stelle sich der Umfang der Tätigkeit als (noch) durchschnittlich dar. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei vorliegend weit überdurchschnittlich gewesen. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass die Bedarfsberechnung für die Klägerin äußerst kompliziert gewesen sei. Es hätten sich komplizierte tatsächliche und rechtliche Fragen gestellt. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin sei überdurchschnittlich gewesen. Die Einkommens...