Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem als Prokurist tätigen Kommanditisten einer GmbH + Co. KG

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn eine Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis nach Weisungen erfolgt und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte und die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft gekennzeichnet.

2. Diese Grundsätze haben auch Geltung für die Beurteilung des Kommanditisten einer GmbH + Co. KG, der als Prokurist für die Gesellschaft tätig ist.

3. Ist dieser in die Organisation des Unternehmens eingegliedert, hat er Anspruch auf ein festes monatliches Gehalt und auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, unterliegt er dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung und hat er ein wesentliches unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, so liegt eine abhängige Beschäftigung vor.

4. Dies gilt auch dann, wenn er von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist. Die Befreiung ist gerade bei kleineren Gesellschaften nicht unüblich und spricht nicht entscheidend für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 10.02.2016; Aktenzeichen B 12 R 26/15 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.4.2013 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 29.8.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.1.2012 sowie der Änderungsbescheid vom 25.6.2014 werden aufgehoben, soweit mit diesen festgestellt worden ist, dass die Tätigkeit des Klägers als mitarbeitender Gesellschafter (Prokurist) bzw. als Prokurist bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 6.3.2011 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird. Insoweit wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers im gesamten Rechtsstreit trägt die Beklagte zu 2/5. Im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens (§ 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) über die Versicherungspflicht des Klägers als Kommanditist und Prokurist der Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 6.3.2011 bis zum 31.12.2011 in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie dessen Versicherungspflicht in dem Zeitraum ab dem 1.1.2012 in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Die Beigeladene zu 1) wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 28.5.2010 gegründet und ist am 22.9.2010 in das Handelsregister eingetragen worden (Amtsgericht [AG] L - HRA 000). Der Gesellschaftsvertrag der Beigeladenen zu 1) enthält auszugsweise folgenden Inhalt:

"§ 1 Firma, Sitz, Geschäftsjahr

1. Die Gesellschaft führt die Firma

O GmbH & Co. Kommanditgesellschaft.

2. Die Gesellschaft hat ihren Sitz in I.

( ...).

§ 2 Gegenstand des Unternehmens

1. Gegenstand des Unternehmens ist der Vertrieb von Hard- und Software im IT-Bereich und alle damit im Zusammenhang stehenden Dienstleistungen und Tätigkeiten.

2. Die Gesellschaft darf alle Maßnahmen treffen, die geeignet sind, den Gesellschaftszweck zu fördern. Sie ist berechtigt, Zweigniederlassungen zu errichten, andere Unternehmen mit einem Zweck gemäß Abs. 1 zu erwerben oder sich an solchen zu beteiligen.

§ 3 Festkapital, Kapitalbeteiligung, Hafteinlagen

1. Das Festkapital der Gesellschaft beträgt Euro 5.000,00.

2. Gesellschafter sind:

a. als persönlich haftende Gesellschafterin

die "O GmbH" ohne Einlage.

Die persönlich haftende Gesellschafterin ist im Innenverhältnis am Gesellschaftsvermögen nicht beteiligt;

b. als Kommanditisten:

E L mit einer Einlage von Euro 4.000,00 = 80 %

E F mit einer Einlage von Euro 1.000,00 = 20 %.

3. Die Kommanditeinlagen sind zugleich die Hafteinlagen.

4. Soweit die Gesellschafter ihre Einlagen noch nicht erbracht haben, werden diese durch Barzahlung oder durch Stehenlassen zukünftiger Gewinne erbracht.

5. An Kapitalerhöhungen nimmt die Komplementärin nicht teil, es sei denn, die Gesellschafterversammlung beschließt Abweichendes.

§ 4 Vertretung, Geschäftsführung

1. Ausschließlich die persönlich haftende Gesellschafterin vertritt die Gesellschaft und führt deren Geschäfte. Sie handelt durch ihre satzungsmäßigen, in das Handelsregister eingetragenen Organe. Sie hat die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns walten zu lassen. Sie und ihre Organe sind für den Abschluss des Gesellschaftsvertrages, dessen Änderung sowie für Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Durch Gesellschafterbeschluss können der persönlich haftenden Gesellschafterin Weisungen erteilt werden.

2. Die persönlich haftende Gesellschafterin bedarf für alle Geschäfte, die über den gewöhnlic...

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