Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH

 

Orientierungssatz

1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Nach diesen Gesichtspunkten ist auch zu beurteilen, ob der Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht.

3. Verfügt ein Gesellschafter-Geschäftsführer mit einem Gesellschaftsanteil von 20 % über keine Sperrminorität, erhält er eine feste monatliche Vergütung, hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und auf bezahlten Urlaub und erhält er zusätzlich zu seinem Gehalt einen Aufwendungsersatz, so ist von dem Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses auszugehen.

4. In einem solchen Fall ist auch eine bestehende Weisungsgebundenheit gegenüber der Gesellschafterversammlung anzunehmen, wenn die übrigen Gesellschafter lediglich Kapitalgeber ohne vorhandenes Fachwissen sind.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 13.02.2017; Aktenzeichen B 12 R 57/15 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 6.3.2015 geändert und die Klage abgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens (§ 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) über die Versicherungspflicht des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in dem Zeitraum vom 1.5.2012 bis zum 15.7.2015.

Der am 00.00.1963 geborene Kläger ist ausgebildeter Dipl.-Informatiker. Er war nach eigenen Angaben zunächst von 1991 als Informatiker beschäftigt und ist seit dem Jahr 1991 unter der Firma "Informatikberatung S" als Einzelunternehmer mit Firmensitz in D selbständig tätig.

Die Beigeladene zu 1) ist mit notariellem Vertrag vom 28.3.2012 gegründet und am 13.4.2010 in das Handelsregister (Amtsgericht [AG] N [HRB 000]) eingetragen worden. Ihr Gesellschaftsvertrag enthält auszugsweise folgende Regelungen:

§ 1

Firma und Sitz

1. Die Firma der Gesellschaft lautet:

Q Software GmbH.

2. Sitz der Gesellschaft ist N.

§ 2

Gegenstand des Unternehmens

1. Gegenstand des Unternehmens ist die Entwicklung und der Vertrieb von Software-Lösungen.

2. Die Gesellschaft darf andere Unternehmen gleicher oder ähnlicher Art übernehmen, pachten, vertreten oder sich an solchen Unternehmen beteiligen. Sie darf auch Zweigniederlassungen errichten.

Innerhalb dieser Grenzen ist die Gesellschaft zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die zur Erreichung des Gesellschaftszweckes notwendig oder nützlich erscheinen.

§ 3

Stammkapital, Geschäftsanteile

1. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt

60.000,00 EUR (in Worten: sechzigtausend Euro).

2. Hiervon übernehmen:

Die B GmbH mit dem Sitz in P Geschäftsanteile in Höhe von 12.000,00 EUR (Nrn. 1 - 12.000),

die B GmbH mit dem Sitz in N1 Geschäftsanteile in Höhe von 12.000,00 EUR (Nrn. 12.001 - 24.000),

die Q GmbH mit dem Sitz in J Geschäftsanteile in Höhe von 12.000,00 EUR (Nrn. 24.001 - 36.000),

Herr G S Geschäftsanteile in Höhe von 12.000,00 EUR (Nrn. 36.001 - 48.000),

die U Produktionsmanagement GmbH Geschäftsanteile in Höhe von 12.000,00 EUR (Nrn. 48.001 - 60.000).

3. ( ...).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gesellschaftsvertrages der Beigeladenen zu 1) vom 28.3.2012 Bezug genommen.

Mit Beschluss der Gesellschafter der Beigeladenen zu 1) vom 28.3.2012 ist der Kläger zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) bestellt worden.

Unter dem 1.5.2012 schlossen der Kläger und die Beigeladene zu 1) einen als solchen bezeichneten "Geschäftsführer-Anstellungsvertrag", der auszugsweise folgende Regelungen enthielt:

§ 1 Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis

(1) Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich.

(2) Der Geschäftsführer führt die Geschäfte der Gesellschaft im Rahmen der von den Gesellschaftern vorgegebenen Ziele und Aufgaben eigenverantwortlich und selbstständig. Der Geschäftsführer hat die Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages der GmbH, der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Gesellschaft sowie der Bestimmungen dieses Anstellungsvertrages zu führen. Weisungen der Gesellschafterversammlung hat er zu befolgen.

§ 2 Zustimmungspflichtige Geschäfte

(1) Die Befugnis des Geschäftsführers umfasst die Vornahme aller Maßnahmen, die d...

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