Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 21 WEG, § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG, § 254 BGB, § 847 BGB, § 823 Abs. 2 BGB
Kommentar
1. Zum Sachverhalt (in Kurzform)
Zu einer Hochparterrewohnung mit außenseitigem Wohnungszugang führte eine 3-stufige Treppe auf ein etwa 50 cm hohes Podest entlang der Hauswand; der Bauplan sah ein Geländer an der Außenseite des Podestes und entlang der Treppenstufen vor. Auch diese Restarbeiten wurden aufgrund finanzieller Schwierigkeiten des Verkäufers (Grundstückseigentümers) nicht mehr ausgeführt. Die 71-jährige Antragstellerin wurde vor ihrem Einzug in ihre Wohnung darauf hingewiesen, dass sie diese auf eigenes Risiko benutze, da noch Restarbeiten zu erledigen seien. Im Dezember 1992 wurde durch entsprechenden Versammlungsbeschluss der Verwalter (Antragsgegner) beauftragt, die Restarbeiten (einschl. des noch zu erstellenden Geländers) erledigen zu lassen Da Beschlussanfechtung angedroht wurde, teilte dem Verwalter das zuständige Amtsgericht erstmals im Februar 1993 mit, dass von einem Anfechtungsverfahren nichts bekannt sei. Im Mai 1993 ließ der Verwalter einen Kostenvoranschlag für das Geländer erstellen; das Kostenangebot der Schlosserfirma datiert vom Mai 1993; im Juni wurde dann Auftrag erteilt und Erledigung der Arbeiten bis Ende September 1993 angekündigt. Am 8. 7. 1993 stürzte die Antragstellerin die drei Treppenstufen hinunter und zog sich einen Bruch des rechten Unterarms und einen Abriss des Griffelfortsatzes zu; sie war noch Ende 1994 nicht in der Lage, mit der rechten Hand zuzugreifen, konnte keine Faust formen und besaß in der rechten Hand keine Kraft.
Anschließend forderte sie vom Verwalter mindestens DM 9.000,- als Schmerzensgeld, beantragte ferner, festzustellen, dass der Verwalter verpflichtet sei, ihr den gesamten künftigen Schaden aus dem Treppensturz zu ersetzen. Das Amtsgericht verurteilte den Verwalter zur Schmerzensgeldzahlung von DM 3.000,- und stellte die Verpflichtung des Verwalters fest, der Antragstellerin 50 % des zukünftigen Schadens aus dem Treppensturz zu erstatten (i. Ü. erfolgte Antragsabweisung). Das Landgericht hob den Beschluss des Amtsgerichts auf und wies die Anträge der Antragstellerin ab. Das BayObLG verpflichtete den Verwalter, an die Antragstellerin ein Schmerzensgeld von DM 1.000,- zu bezahlen und stellte weiterhin fest, dass der Verwalter der Antragstellerin 1/4 des künftigen Schadens als Folge des Sturzes zu ersetzen habe.
2. Aus den Gründen (auszugsweise):
Den Verwalter treffe entgegen der Meinung des Landgerichts eine Verkehrssicherungspflicht; ein Verstoß gegen diese Pflicht stehe objektiv fest und es spräche auch unter der Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Verstoß für den Schadenseintritt ursächlich gewesen sei. Da dieser Beweis nicht entkräftet sei, stehe der Antragstellerin gegen den Verwalter ein Schmerzensgeldanspruch gem. § 847 BGB, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. mit bauordnungsrechtlichen Vorschriften zu. Unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Antragstellerin sei jedoch festzustellen, dass der Verwalter nur 1/4 des künftigen aus dem Treppensturz resultierenden Schadens der Antragstellerin zu ersetzen habe.
Bei dem Treppenaufgang handelt es sich um Gemeinschaftseigentum, nicht um Sondereigentum.
Gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG ist ein Verwalter verpflichtet, die entsprechenden Instandsetzungsmaßnahmen zu treffen. Da es sich hier primär jedoch um Eigentümerverpflichtungen nach § 21 Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 2 WEG handelt, beschränkt sich eine Verwalterhaftung zunächst darauf, Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum festzustellen, die Wohnungseigentümer davon zu unterrichten und eine Entscheidung der Eigentümer über das weitere Vorgehen herbeizuführen (h. M. BayObLGZ 92, 146/148). Haben Eigentümer durch Beschluss den Verwalter entsprechend beauftragt, Instandsetzungsarbeiten am gemeinschaftlichen Eigentum durchführen zu lassen, so hat der Verwalter für die unverzügliche Ausführung der Arbeiten Sorge zu tragen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht rechtzeitig nach und erleidet ein Eigentümer dadurch einen Schaden, so kann ein Ersatzanspruch gegen den Verwalter wegen Verletzung des Verwaltervertrages gegeben sein (vgl. BayObLG, NJW-RR 88, 599); es können überdies auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung nach den §§ 823ff. BGB wegen schuldhafter Verletzung der dem Verwalter obliegenden Verkehrssicherungspflicht, somit auch Ansprüche auf Schmerzensgeld, in Betracht kommen (vgl. auch OLG Frankfurt, DWE 93, 76/77).
Die allgemeine Rechtspflicht, im Verkehr dafür Sorge zu tragen, dass durch eröffnete Gefahrenquellen Dritte nicht geschädigt werden, ist bezüglich baulicher Anlagen durch die bauaufsichtsrechtlichen Vorschriften (hier: der Bayerischer Bauordnung) ausgestaltet. Nach Bestimmungen der Bayerischen Bauordnung müssen freie Seiten der Treppenläufe, Treppenabsätze und Treppenöffnungen durch Umwehrungen wie Geländer oder Brüstungen gesichert werden. In der Entscheidung genannte Bestimmungen der Bayerischen Bauordnung sind...