Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Erstattungsanspruchs des Beklagten bei Klagerücknahme nach Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens
Leitsatz (amtlich)
1. Der Erstattungsanspruch des Beklagten, der nach Widerspruch gegen einen Mahnbescheid und im Anschluss an den klägerischen Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahren Klageabweisung beantragt, umfasst, wenn zu diesem Zeitpunkt eine Anspruchsbegründung nicht vorliegt, lediglich die beschränkte Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 RVG-VV aus dem Hauptsachestreitwert.
2. Wird nach Klagerücknahme eine auf die Kostentragungspflicht gerichtete Tätigkeit wahrgenommen, fällt hierfür zusätzlich eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV aus dem Kostenwert an.
3. Die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 RVG-VV entsteht nicht, wenn die Parteien sich lediglich über das Ruhen des Verfahrens einigen und anschließend die Klage zurückgenommen wird. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger die Klagerücknahme bereits zum Zeitpunkt der Vereinbarung über das Ruhen des Verfahrens in Aussicht gestellt hatte.
Normenkette
ZPO § 91; RVG-VV Nrn. 1000, 3100-3101
Verfahrensgang
LG Coburg (Beschluss vom 23.04.2008; Aktenzeichen 21 O 445/07) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des LG Coburg vom 23.4.2008 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten de Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
III. Der Gegenstandswert wird auf 500 EUR festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Das LG Coburg hat im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens mit Beschluss vom 23.4.2008 die von der Beklagten geltend gemachte Verfahrensgebühr lediglich in Höhe einer 0,8-Gebühr gem. Nr. 3101 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (RVG-VV) aus dem vollem Streitwert anerkannt und darüber hinaus eine Verfahrensgebühr in Höhe einer 1,3-Gebühr (Nr. 3100 RVG-VV) aus dem Wert der bis dahin angefallenen Kosten berücksichtigt.
Ferner hat das LG die von der Beklagten geltend gemachte Einigungsgebühr nicht in Ansatz gebracht. Demzufolge hat es eine Kostenerstattungspflicht der Klägerin i.H.v. lediglich 477,07 EUR und nicht den von der Beklagten geltend gemachten Betrag i.H.v. 978,91 EUR festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss, dem Beklagtenvertreter zugestellt am 6.5.2008, wendet sich die Beklagte mit ihrer Beschwerde vom 13.5.2008, eingegangen beim LG Coburg am 19.5.2008. Sie meint, dass die Verfahrensgebühr Nr. 3100 RVG-VV i.H.v. 1,3 Gebühren aus dem vollen Streitwert entstanden sei. Die ermäßigte Gebühr i.H.v. 0,8 aus Nr. 3101 RVG-VV sei dagegen nicht angefallen, da der Beklagtenvertreter bereits vor Beendigung des Auftrags Klageabweisung beantragt und damit einen Schriftsatz mit Sachantrag eingereicht habe. Zudem könne die Gebührenreduzierung nur auf Seiten der Klagepartei greifen, da nach der Anmerkung zu Nr. 3101 Ziff. 1 RVG-VV der Auftrag geendet haben müsse, bevor der Rechtsanwalt "Klage, den ein Verfahren einleitenden Antrag oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Antrags enthält", eingereicht habe. Auf Beklagtenseite dagegen könne es auf die Stellung eines schriftlichen Antrages nicht ankommen, da das Verfahren bereits eingeleitet und durch Zustellung auch rechtshängig gewesen sei. Die in Nr. 3101 Ziff. 1 RVG-VV enthaltene Formulierung besage eindeutig, dass der Auftrag geendet haben müsse, was nicht gleichzusetzen sei mit einer Beendigung des Verfahrens.
Ebenso sei die Einigungsgebühr nach Nr. 1003 RVG-VV wie beantragt festzusetzen, da das Verfahren aufgrund einer Absprache der Parteien ruhend gestellt und anschließend die Klage zurückgenommen worden sei.
Das LG Coburg hat der Beschwerde mit Beschluss vom 20.5.2008 nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Bamberg zur Entscheidung vorgelegt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den angefochtenen Beschluss des LG Coburg, den Nichtabhilfebeschluss und die Schriftsätze der Beklagtenseite Bezug genommen.
II. Die sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Coburg ist zulässig. Sie wurde in der gesetzlichen Frist und Form eingelegt (§§ 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO).
Die Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1. Das LG Coburg hat zutreffend angenommen, dass vorliegend aus dem vollen Streitwert lediglich eine verminderte Verfahrensgebühr gem. Nr. 3101 Nr. 1 RVG-VV zu erstatten ist.
a) Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass sie mit Schriftsatz vom 6.12.2007 Klageabweisung beantragt und somit einen am 7.12.2007 beim LG Coburg eingegangenen Sachantrag gestellt hat; die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der beschränkten Verfahrensgebühr aus Nr. 3101 VV sind demzufolge erfüllt. Der Antrag auf Abweisung der Klage war jedoch nicht notwendig im erstattungsrechtlichen Sinn (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO), da im Zeitpunkt der Antragstellung eine Klagebegründung noch nicht vorlag. Mit der voreiligen Stellung des Klageabweisungsantrags verstieß die Beklagte gegen die ihr aufgrund des Prozessrechtsverhältnisses obliegende Verpflichtung, die Kosten mö...