Leitsatz (amtlich)
Geht ein Verfügungsbeklagter im Rahmen eines gerichtlich geschlossenen Vergleichs weitergehende Verpflichtungen wie z.B. ein Vertragsstrafeversprechen, ein, die nicht Gegenstand des ursprünglichen Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung waren, entsteht eine Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 RVG-VV. Die Ausnahmeregelung der Nr. 1000 RVG-VV Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 RVG-VV greift nicht ein.
Normenkette
RVG-VV Nr. 1000; BGB § 779
Verfahrensgang
LG Hannover (Beschluss vom 20.07.2007; Aktenzeichen 18 O 16207) |
Tenor
Die am 1.8.2007 beim LG Hannover eingegangene sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den am 26.7.2007 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hannover vom 20.7.2007 wird zurückgewiesen.
Der Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 673,54 EUR.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin beantragte beim LG Hannover den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Verfügungsbeklagten, wonach es der Verfügungsbeklagte unter Androhung eines Ordnungsgeldes zu unterlassen hatte, öffentlich oder privat gegenüber Dritten direkt oder indirekt zu behaupten, dass die Verfügungsklägerin unseriös oder aufgrund von Wirtschaftsdelikten rechtskräftig verurteilt worden sei. Im daraufhin anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung schlossen die Parteien einen Vergleich mit u.a. folgendem Inhalt:
1. Der Beklagte verpflichtet sich, es künftig zu unterlassen, öffentlich oder Dritten gegenüber direkt oder indirekt zu behaupten, das der Antragsteller oder andere Anbieter von "V. GmbH" unseriös sind oder aufgrund von Wirtschaftsdelikten rechtskräftig verurteilt worden sind.
Ihm bleibt allerdings vorbehalten, sofern er andere Anbieter nennen kann, die tatsächlich rechtskräftig verurteilt worden sind, über diese entsprechende - zutreffende - Tatsachenbehauptungen aufzustellen.
2. Der Antragsgegner wird seinen InternetAuftritt in einer Woche entsprechend Ziff. I des Vergleichs ändern.
3. Der Beklagte verpflichtet sich, für jeden Fall der Zuwiderhandlung an den Kläger eine Vertragsstrafe i.H.v. 5.000 EUR zu zahlen.
Auf Antrag der Verfügungsklägerin setzte das LG Hannover - Rechtspflegerin - mit Beschluss vom 20.7.2007 die zu erstattenden Kosten fest, wobei auch eine Einigungsgebühr zzgl. Umsatzsteuer in Ansatz gebracht wurde. Gegen diesen Beschluss, der dem Verfügungsbeklagten am 26.7.2007 zugestellt worden ist, hat der Verfügungsbeklagte sofortige Beschwerde eingelegt.
II. Die gemäß den §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 568 ZPO zulässige, insbesondere form und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde, ist nicht begründet.
Die Rechtspflegerin hat im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.7.2007 zu Recht eine Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 RVG-VV zzgl. hierauf entfallende Umsatzsteuer in Ansatz gebracht. Das Vorbringen im Rahmen der sofortigen Beschwerde rechtfertigt keine andere Bewertung.
Gemäß Nr. 1000 Abs. 1 RVG-VV entsteht die Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, Die Einigungsgebühr entsteht mithin grundsätzlich bei jeder Absprache über ein Verfahren, wobei es im Gegensatz zum alten Recht nicht mehr eines Vergleichs i.S.v. § 779 BGB bedarf, d.h. ein gegenseitiges Nachgeben ist - worauf die Rechtspflegerin des LG zutreffend hingewiesen hat - nicht mehr erforderlich (vgl. BGH AGS 2007, 57 f., zitiert nach JURIS Rz. 5. BGH AGS 2007, 366 f., zitiert nach JURIS Rz. 6). Das Entstehen einer Einigungsgebühr ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil sich der zwischen den Parteien geschlossene Vergleichsvertrag ausschließlich auf ein Anerkenntnis beschränkt (Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 RVG-VV).
Wie schon der Vergleichstext zeigt, erschöpft sich der Vergleich nicht in einem uneingeschränkten Anerkenntnis. Der Verfügungsbeklagte behält sich vielmehr vor, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (rechtskräftige Verurteilung anderer Anbieter von "V. GmbH") die von der Verfügungsklägerin beanstandeten Behauptungen aufzustellen. Diesen Vorbehalt hat die Verfügungsklägerin mit dem Abschluss des Vergleichs akzeptiert, so dass bereits angesichts dieser Regelung von einem (wenn auch) geringfügigen Entgegenkommen des Klägers auszugehen ist.
Die Anwendung von Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 RVG-VV scheidet im Übrigen auch deshalb aus, weil sich der Vergleich nicht in einem bloßen Anerkenntnis des mit der Klage geltend gemachten (prozessual) Anspruchs erschöpft. Den Gesetzgebungsmotiven lässt sich entnehmen, dass die Ausnahmeregel von Nr. 1000 Abs. 1 Satz Halbs. 2 RVG-VV zumindest dann nicht eingreift, wenn der Vergleich weitergehende Verpflichtungen des Beklagten erfasst, die mit dem in der Klage geltend gemachten (prozessualen) Anspruch nicht identisch sind. So wird in den Motiven zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz zu Nr. 1000 RVG-VV ausgeführt, dass die vorgenannte Einschränkung deshalb notwendig sei, damit nicht schon die Erfüllu...