Leitsatz (amtlich)
1. Die Störung oder Behinderung einer polizeilichen Maßnahme stellt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar und kann die Anordnung von Polizeigewahrsam zur Durchsetzung eines Platzverweises rechtfertigen.
2. Die Rechtmäßigkeit der Gewahrsamsanordnung hängt nicht davon ab, dass auch der Platzverweis seinerseits rechtmäßig war; maßgeblich ist allein, dass der Platzverweis wirksam geworden ist.
3. Die Polizei muss nach der Ingewahrsamnahme die Gefahrenlage fortlaufend weiter im Blick behalten und bei deren Wegfall die Freiheitsentziehung beenden. Dies gilt selbst dann, wenn eine richterliche Entscheidung ergangen und die darin festgesetzte Höchstdauer noch nicht erreicht ist.
Normenkette
FamFG § 58 Abs. 1, § 68 Abs. 3 S. 2, § 81 Abs. 1 S. 1; NPOG § 2 Abs. 1 Buchst. a, b, §§ 17, 18 Abs. 1 Nrn. 2-3, § 19 Abs. 4 S. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 64 Abs. 1, § 65 Abs. 1 Nr. 3, § 69 Abs. 1, 3; NVwVfG § 1; VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; VwVfG § 43 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Hannover (Entscheidung vom 26.07.2022; Aktenzeichen 37 XIV 38/22 L) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 26. Juli 2022 aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass
a) die polizeiliche Anordnung der Ingewahrsamnahme des Beschwerdeführers am 26. Juli 2022 um 18:05 Uhr und deren Vollzug bis 18:42 Uhr rechtmäßig war und
b) die weitere Fortdauer des Gewahrsams bis zum 27. Juli 2022 um 3:00 Uhr rechtswidrig war.
3. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet verworfen.
4. Die gerichtlichen Kosten der ersten Instanz und des Beschwerdeverfahrens tragen der Beschwerdeführer zu 30% und das beteiligte Land zu 70 %.
5. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
6. Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 26. Juli 2022 nach mündlicher Anhörung des Beschwerdeführers dessen polizeiliche Ingewahrsamnahme, die am selben Tag um 18:05 Uhr erfolgt war, für zulässig erklärt und die Fortdauer des Gewahrsams bis längstens 27. Juli 2023 um 3:00 Uhr angeordnet. Der Beschwerdeführer wurde am 27. Juli 2023 um 3:00 Uhr aus dem Gewahrsam entlassen.
Der Entscheidung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 26. Juli 2022 einen ihm für den Bereich des S. (A. M., R.straße, S.straße) in H. durch Polizeivollzugsbeamte erteilten Platzverweis trotz wiederholter Aufforderung nicht befolgt habe. Der Platzverweis sei ihm für die Dauer von acht Stunden erteilt worden, weil der Beschwerdeführer eine polizeiliche Maßnahme, nämlich die Festnahme eines Beschuldigten in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, durch laute Zwischenrufe und Herantreten an die eingesetzten Polizeibeamten auf weniger als 1 Meter fortdauernd gestört habe. Die Anordnung der Fortdauer des Gewahrsams bis 3:00 Uhr hat das Amtsgericht damit begründet, dass im Falle einer vorzeitigen Entlassung ein wiederholtes Nichtbefolgen der polizeilichen Anweisung drohe. Der Beschwerdeführer habe durch sein bisheriges Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass er sich auch künftig nicht an die polizeilichen Anweisungen halten werde, und dies sogar direkt geäußert.
Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 1. August 2022, das am 3. August 2022 bei dem Landgericht Hannover eingegangen und von dort an das Amtsgericht Hannover weitergeleitet worden ist, wo es am 18. August 2022 eingegangen ist, Beschwerde eingelegt. Zur Begründung seiner Beschwerde hat der Beschwerdeführer eine Kopie seiner Strafanzeige vom 27. Juli 2022 gegen die Polizeibeamten beigefügt. Darin hat er vorgetragen, dass er zum Tatzeitpunkt zu Fuß unterwegs und auf dem Weg nach Hause gewesen sei, als er an einem Polizeieinsatz vorbeigekommen sei. Für einen Journalisten sei dies ein Grund, sich näher über diesen Sachverhalt zu informieren. In gebührendem Abstand ohne Störung der Amtshandlung habe er kurz- er denke Sekunden - verharrt, als ein Polizeibeamter "wie von der,Tarantel' gestochen" auf ihn zu gekommen sei und gesagt habe, er habe hier Betretungsverbot. Er - der Beschwerdeführer - habe noch gefragt, ob das auch für die Presse gelte. Er habe seine Frage noch nicht ausgesprochen gehabt, als er von drei Polizeibeamten "hinterhältig durch Nutzung polizeilicher Kampftechniken angesprungen und gegen eine Hauswand geschleudert" worden sei. Dadurch habe er erhebliche Schmerzen und Verletzungen erlitten. Man habe sein Gesicht ohne Grund gegen die Hauswand gepresst, die aus Kratzputz bestanden habe. Er habe Verletzungen am rechten Auge erlitten, welche dann auch notärztlich versorgt worden seien. Er gehe davon aus, dass dem Polizeibeamten jetzt bewusst geworden sei, dass dieser Vorgang verbotswidrig gewesen sei. Denn nun habe jener geschrien, das sei Widerstand. Der Beschwerdeführer habe entgegnet, wie das denn gehen solle, er sei an der Hauswand fixiert und vorher von hinten angegriffen worden. Der Beschwerdeführer habe sich seine "Gedanken gemacht" und dem Polizeibeamten mitgeteilt, dass dieser in seinen Augen ein "Pfeifenw...