Entscheidungsstichwort (Thema)
Abschlag beim Zeitaufwand für die Versorgung eines Tieres wegen der allgemeinen Lebensfreude, die damit einhergeht.
Leitsatz (amtlich)
Der Zeitaufwand für die Versorgung eines Haustieres ist grundsätzlich erstattungsfähig. Es erscheint aber angebracht, nicht den gesamten hierfür erforderlichen Aufwand zu berücksichtigen, sondern einen Abschlag vorzunehmen für die allgemeine Lebensfreude, die mit der Haltung von Haustieren einhergeht.
Normenkette
BGB § 249
Verfahrensgang
LG Stade (Urteil vom 30.06.2020; Aktenzeichen 5 O 57/19) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 30. Juni 2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade ≪5 O 57/19≫ wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil und das vorgenannte Urteil des Landgerichts Stade sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
(§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO):
I. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene und begründete, Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade hat der Klage zu Recht nur auf der Basis einer 50 %-igen Haftungsquote bei Klagabweisung im Übrigen stattgegeben (Feststellungsantrag). Über die vorgerichtlich von der Beklagten zu 2) gezahlten 14.274,67 EUR hinaus stehen der Klägerin gegenüber den Beklagten anlässlich des Unfallgeschehens vom 6. April 2016 in S., G. Straße ... auf dem Parkplatz des V.-L.-Gymnasiums gegen 22.15 Uhr, keine weiteren Zahlungsansprüche mehr zu. Ihre Berufung war folglich zurückzuweisen.
1. Haftungsquote
Der Senat hat sich nach informatorischer Anhörung der Klägerin und des Beklagten zu 1) in der mündlichen Verhandlung am 3. November 2020 von dem Unfallgeschehen ein eigenes Bild gemacht. Danach erscheint es in Zusammenschau mit der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme nicht geboten, einen höheren Haftungsanteil als 50 % zulasten der Beklagten gemäß § 7 Abs. 1 und § 9 StVG, § 115 Abs. 1 VVG anzunehmen. Dies beruht auf den folgenden Erwägungen:
Die Anhörung der Klägerin und des Beklagten zu 1) sowie die von der Einzelrichterin am 13. November 2019 durchgeführte Beweisaufnahme zum Haftungsgrund trägt die Begründung der hälftigen Haftungsquote. Die Aussagen der Zeugen W., L., J. B. und L. T. S. sind von der Einzelrichterin nachvollziehbar und fehlerfrei gewürdigt worden. Danach hatte der Beklagte zu 1) sein Fahrzeug nicht länger als wenige Sekunden angehalten gehabt, bevor er angefahren war. Die dunkel gekleidete Klägerin war bei Dunkelheit und Regen nicht gut sichtbar und es ist nicht bewiesen, dass sie eine gründliche Umschau gehalten hatte, bevor sie in die Fahrbahn des Beklagtenfahrzeugs gelaufen ist. Sie hatte keinen Anlass darauf zu vertrauen, dass der Beklagte zu 1) nicht alsbald anfahren würde. Dieses Beweisergebnis ist durch die informatorische Anhörung der Klägerin und des Beklagten zu 1) vor dem Senat bestätigt worden.
Die Beklagten haften gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 VVG aus der Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs, die angesichts des Verschuldens des Beklagten zu 1) durch einen Verstoß gegen § 1 StVO erhöht ist. Er hat nicht die im Verkehr gebotene ständige Vorsicht und Rücksichtnahme walten lassen und sich nicht so verhalten, dass die Fußgängerin auf dem Parkplatzgelände nicht geschädigt wurde. Hierzu hätte es gehört, sich vor dem Anfahren durch eine gründliche Umschau - hier insbesondere nochmals einen Blick nach rechts - zu vergewissern, dass er keine Fußgänger auf der Fahrbahn gefährdet. Mit Fußgängern auf dem Gelände musste er auch rechnen, weil sich dort nach seinem eigenen Bekunden noch diverse Schüler, Lehrer und Eltern, die ihre Kinder nach der Klassenfahrtrückkehr abholen wollten, aufhielten. Auch wenn das Verkehrsaufkommen bereits abgenommen hatte, bestand doch die Gefahr, dass Fußgänger den Fahrstreifen betreten konnten. Auf solche war besonders zu achten.
Zutreffend hat die Einzelrichterin ein Mitverschulden der Klägerin gemäß § 9 StVG, § 254 BGB berücksichtigt. Die Klägerin hat gegen §§ 1, 25 Abs. 3 S. 1 StVO verstoßen, indem sie die Fahrbahn des Parkplatzes betreten hat, ohne den bevorrechtigten Fahrzeugverkehr hinreichend zu beobachten. Anders als die Klägerin vorgetragen hat, ist nicht bewiesen, dass der Beklagte zu 1) mit einem längeren Anhalten den Eindruck erweckt hat, er werde die Klägerin passieren lassen. Nach den Angaben der Zeugen L. und J. B. dauerte das Anhalten nur wenige Sekunden. Wenige Sekunden reichen nicht aus, um verlässlich beurteilen zu können, ob ein vorfahrtsberechtigter Fahrzeugführer auf seine Vorfahrt verzichtet und einen Fußgänger vor seinem Pkw hergehen lässt, bevor er anfährt. Hierzu hätte es einer eindeutigen Verständigung mit dem Fahrzeugführer bedurft. Eine entsprechende Verständigung der Klägerin mit dem Beklagten zu 1) hat es nach dem Vorbringen beider Parteien nicht gegeben. Der Beklagte zu 1) hat kurz vor dem Anfahren zu den Zeu...