Leitsatz (amtlich)

Bei einer Kollision eines nachfolgenden überholenden Fahrzeuges mit einem in gleicher Richtung vorausfahrenden, aber bereits in Schrägstellung befindlichen Linksabbieger spricht weder ein Anscheinsbeweis eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 StVO gegen den Fahrer des nachfolgenden Fahrzeuges noch ein Anscheinsbeweis eines Verstoßes gegen die Pflicht zur zweiten Rückschau aus § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO gegen den Linksabbieger.

 

Normenkette

StVO § 4 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1 S. 4; ZPO § 286 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Stade (Urteil vom 13.04.2007; Aktenzeichen 4 O 165/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 13.4.2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Stade teilweise abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 19.390,08 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 6.500 EUR seit 14.5.2005, auf 230,68 EUR seit 14.5.2005 und auf 12.659,40 EUR seit 17.5.2006 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger auch seinen zukünftigen immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfall am 26.7.2004 auf der Kreisstraße 61 zwischen den Ortschaften Laven und Bramel unter Berücksichtigung eines eigenen Mitverschuldens des Klägers von 50 % zu ersetzen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 15 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 85 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Ersatz seiner bei einem Verkehrsunfall am 26.7.2004 erlittenen materiellen und immateriellen Schäden unter Berücksichtigung einer eigenen Mithaftung von 50 % geltend.

Am Unfalltag befuhr der Kläger gegen 20:50 Uhr mit seinem Motorrad die Kreisstraße 61 zwischen den Ortschaften Laven und Bramel. Vor ihm fuhr mit relativ niedriger Geschwindigkeit der Beklagte zu 1 mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Geländewagen Mitsubishi. Beide Fahrzeuge kollidierten, nachdem der Kläger zum Überholen des Geländewagens angesetzt hatte und dieser seinerseits in einen links belegenen landwirtschaftlichen Weg einbiegen wollte. Der Kläger hat vorgetragen, er sei bei Einleitung des Überholvorgangs auf die Gegenfahrbahn gewechselt. Die Beklagten haben ausdrücklich eingeräumt, dass sich der Unfall "größtenteils" auf der Gegenfahrbahn ereignet habe. Bei dem Anstoß wurde der Geländewagen des Beklagten zu 1 im Schwerpunkt an der linken hinteren Fahrzeugseite beschädigt. Durch den Aufprall seines Motorrades auf den Geländewagen wurde der Kläger von dem Krad geschleudert und erlitt erhebliche Verletzungen. Insbesondere zog er sich eine Zerreißung des vorderen und hinteren Kreuzbandes sowie einen Riss des Innenbandes und des hinteren Schrägbandes des linken Knies zu, die mehrfach operativ behandelt werden mussten. Ferner erlitt er zahlreiche Prellungen, Rippenserienfrakturen beidseits sowie rechts zusätzlich eine Einblutung in den Lungenfellraum, weshalb der Kläger nach seiner stationären Aufnahme intubiert und beatmet werden musste und an beiden Seiten Thoraxdrainagen eingelegt wurden. Die bei dem Aufprall zerrissene rechte Niere musste operativ entfernt werden. Der Kläger hat behauptet, er habe des Weiteren auch am rechten Knie Verletzungen erlitten, nämlich einen Innenmeniskusriss und eine Innenbandruptur. Das Vorliegen dieser Verletzungen haben die Beklagten bestritten. Ferner ist zwischen den Parteien umstritten gewesen, ob und inwieweit die Knieverletzungen zu einer Dauerschädigung geführt haben und ob der Kläger seinen bisherigen Beruf als Hafenfacharbeiter nicht mehr ausüben kann.

Der Kläger hat zum Unfallhergang behauptet, er habe sich zum Überholen entschlossen, weil der Beklagte zu 1 unvermindert langsam gefahren sei und keinen Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt habe. Der links abzweigende landwirtschaftliche Weg sei für ihn wegen fehlender Beschilderung und dichter seitlicher Bepflanzung entlang der Kreisstraße zuvor nicht erkennbar gewesen. Als er - auf der Gegenfahrbahn - schon unmittelbar hinter dem Geländewagen des Beklagten zu 1 angelangt gewesen sei, habe dieser plötzlich nach links gezogen, sodass es für ihn - den Kläger - keine Ausweichmöglichkeit mehr gegeben habe.

Anlässlich eines Besuches im Krankenhaus - wo er allein drei Wochen auf der Intensivstation gelegen habe - habe der Beklagte zu 1 ihm - dem Kläger - gegenüber erklärt, er habe am Unfalltag infolge Unachtsamkeit das herannahende Motorrad übersehen.

Der Kläger hat behauptet, sein linkes Knie sei weiterhin nicht belastbar und schmerze. Er werde dort eine Dauerschädigung von 30 % zurückbehalt...

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