Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsgefahr und Hindernisbereiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Entfallen der Betriebsgefahr aus § 7 Abs. 1 StVG bei der bewussten Bildung eines Hindernisses auf der Fahrbahn.

2. Derjenige, der mit seinem Fahrzeug bewusst ein Hindernis auf der Fahrbahn bereitstellt, um einen Auffahrunfall zu provozieren, haftet allein (§ 17 Abs. 1 StVG).

 

Normenkette

StVG § 7 Abs. 1, § 17 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Stade (Urteil vom 29.08.2019; Aktenzeichen 6 O 142/19)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 29. August 2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stade ≪6 O 142/19 ≫ wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil und das vorgenannte Urteil des Landgerichts Stade sind vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger aufgrund der Urteile vollstreckbaren Beträge abzuwenden, sofern dieser nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.990,79 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Kollisionsgeschehen in der Nacht vom 18. auf den 19. Juli 2018 in H. auf der C. Straße in Höhe der Hausnummer ... zwischen dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Toyota Yaris, ..., einem Mietfahrzeug der Firma S. GmbH, das B. C. mit überhöhter Geschwindigkeit gesteuert hatte, und dem Audi A 6, ..., der der V. Bank GmbH - im Rahmen einer Kaufpreisfinanzierung - sicherungsübereignet worden ist (K 1). Die V. Bank GmbH hat den Kläger ermächtigt, im eigenen Namen Zahlungsklage gegen die Beklagte zu erheben (Anlage K 2). Der Audi erlitt einen massiven rechtsseitigen Anstoß gegen das Heck (Anlage K 3). Polizei und Staatsanwaltschaft Stade ≪113 Js 47688/18 ≫ (im Folgenden BA) haben das Geschehen als eine provozierte Kollision nach einer Verfolgungsjagd im Rahmen einer familieninternen Auseinandersetzung gewertet, bei der D. T. mit einem Pkw Daimler Benz E 220, ..., B. C. und seine Freundin R. K. in dem Toyota Yaris verfolgt und zum Auffahren auf den zwischen einer Verkehrsinsel und dem Gehweg stehenden Audi A 6 getrieben habe, um ihn verprügeln zu können (Bl. 1, 6 - 9, 29, 30 d. BA). Zuvor seien am Bahnhof in O., wo sich C. und D. T. verabredungsgemäß getroffen hätten, von D. T. und seinen Begleitern Gleissteine auf den Toyota geworfen worden. C. sei mit dem Toyota geflohen. Nach den Angaben von C. und seiner Freundin R. K. habe T. T. während der Kollision nicht in dem Audi A 6 gesessen, sondern auf dem Gehweg gestanden. T. T. habe dagegen angegeben, C. sei aufgefahren, während er - T. - versucht habe, mit dem Audi auf einen Parkstreifen zu fahren.

Der Kläger hat behauptet, C. sei infolge Unaufmerksamkeit und überhöhter Geschwindigkeit auf den Pkw Audi A 6 aufgefahren, als sein Bruder T. T. dabei gewesen sei, den Wagen auf dem Seitenstreifen neben der Spielbank in H. zu parken. Diesen Parkvorgang habe T. T. durch Bremsen und Blinken angezeigt gehabt. Für T. T. sei das Unfallgeschehen unvermeidbar gewesen. Der Kläger hat die Nettoreparaturkosten laut Sachverständigengutachten in Höhe von 7.131,60 EUR ersetzt verlangt neben einer Kostenpauschale von 25,- EUR sowie 834,19 EUR als Sachverständigenkosten und 729,23 EUR als vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren.

Die Beklagte hat ein Unfallereignis im eigentlichen Sinne bestritten und behauptet, die Kollision sei Folge einer Verfolgungsjagd gewesen, bei der das klägerische Fahrzeug bewusst als Hindernis aufgestellt worden sei, um C. zum Anhalten zu zwingen, damit man ihn verprügeln könne. Dieser sei in die Kollision getrieben worden. Die Kausalität der Reparaturkosten hat die Beklagte bestritten.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 51 - 53 d. A.) verwiesen.

Der Einzelrichter der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stade hat nach Anhörung des Klägers gemäß § 141 ZPO und Vernehmung der Zeugen T. T. und B. C. die Klage abgewiesen. Sowohl den Kläger als auch die Beklagte treffe eine Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG. Im Rahmen der Haftungsabwägung gemäß § 17 Abs. 1 StVG trete die Haftung der Beklagten aus der Betriebsgefahr des Toyota Yaris und wegen Verschuldens des Zeugen B. C. hinter dem grob verkehrswidrigen Verhalten des T. T., das sich der Kläger anrechnen lassen müsse, vollständig zurück. Das Klägerfahrzeug sei als Hindernis zweckentfremdet worden, auf das der Zeuge C. mit einer Verfolgungsjagd zugetrieben worden sei. Die Angaben des Zeugen C. hat der Einzelrichter als glaubhafter gewertet als diejenigen des Zeugen T. T. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 53 - 58 d. A.) Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge vollumfänglich weiter. Er rügt eine...

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