Leitsatz (amtlich)
1. Eine schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigung als Voraussetzung für die Inanspruchnahme zivilrechtlichen Ehrenschutzes durch eine Gemeinde gegenüber einer Wortberichterstattung liegt nicht vor, wenn diese lediglich dazu geführt hat, dass sich einzelne Bürger in sozialen Netzwerken abfällig über den Bürgermeister äußern.
2. Die Wiedergabe der Meinungsäußerung eines Dritten enthält zugleich die Tatsachenbehauptung, dass sich dieser entsprechend geäußert hat. Ist dies nicht der Fall, nimmt diese Äußerung nicht am Schutzbereich der Meinungsfreiheit teil.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 1a O 865/18 EV) |
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 23.5.2018 - 1a O 865/18eV - wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger tragen auch die Kosten des Berufungsverfahrens
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Aufnahme des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 540, 313a Abs. 2 ZPO).
II. Die Berufung der Verfügungskläger (Kläger) ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die Klägerin zu 1) ist für den geltend gemachten Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog bereits nicht aktivlegitimiert (1.). Die im Berufungsverfahren allein noch streitgegenständliche Aussage in der Berichterstattung der Verfügungsbeklagten (Bekl.) vom 23.5.2018, er habe die x...leiterin Frau Wx. "krank gemobbt", hat der Kläger zu 2) indes hinzunehmen (2.).
1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 1) für eine Unterlassungsklage bezüglich der streitgegenständlichen Äußerung nicht aktivlegitimiert ist. Zwar können auch juristische Personen des öffentlichen Rechts zivilrechtlichen Ehrenschutz gegenüber Angriffen in Anspruch nehmen, durch die ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt wird, auch wenn sie weder eine "persönliche" Ehre haben noch wie eine natürliche Person Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sein können; sie genießen jedoch, wie § 194 Abs. 3 StGB zeigt, im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben strafrechtlichen Ehrenschutz, der über §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185 ff. StGB zivilrechtliche Unterlassungsansprüche begründen kann (BGH, Urteil vom 22. November 2005 - VI ZR 204/04 -, Rn. 9, juris; vom 22. Juni 1982 - VI ZR 251/80 - NJW 1982, 2246 und vom 16. November 1982 - VI ZR 122/80; BVerfGE 93, 266, 291). Dies setzt jedoch voraus, dass die konkrete Äußerung geeignet ist, die Behörde schwerwiegend in ihrer Funktion zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07 -, BGHZ 176, 175-191, Rn. 29). Hierfür reicht es indes nicht aus, dass Bewerber um die Nachfolge der x...leiterin in den Anschreiben zu ihrer Bewerbung auf die streitgegenständliche Berichterstattung hingewiesen und andere von einer solchen Bewerbung ganz abgesehen haben, was die Kläger mit der Berufungsbegründung behaupten (Schriftsatz vom 29.6.2018, Bl. 98 d.A.) oder dass einzelne Leserbeiträge nahelegen, der Kläger zu 2) agiere in L. "wie ein Möchtegernkaiser" (Schriftsatz vom 26.4.2018, Bl. 11 d.A.). Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass hierdurch die Funktionsfähigkeit der Klägerin zu 1) in irgendeiner Weise eingeschränkt wird.
2. Für die Entscheidung kann dies jedoch auch dahinstehen. Die Kläger müssen jedenfalls die streitgegenständliche Äußerung hinnehmen.
a) Nach den für die Sinndeutung einer Äußerung geltenden Grundsätzen ist vorderhand zu klären, ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dabei ist zu beachten, dass sich der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG auch auf Äußerungen erstreckt, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden (vgl. BGH Urteil vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06; vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 alle juris). Wo Tatsachenbehauptungen und Wertungen zusammenwirken, wird grundsätzlich der Text in seiner Gesamtheit von der Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst. Im Falle einer derartigen engen Verknüpfung der Mitteilung von Tatsachen und ihrer Bewertung darf der Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit nicht dadurch verkürzt werden, dass ein tatsächliches Element aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet wird.
b) Mit dem Landgericht ist vorliegend davon auszugehen, dass die sowohl in der Artikelüberschrift als auch am Ende des zweiten Absatzes stehende Äußerung "Herr B. hat mich krank gemobbt" als Schlussfolgerung aus den Umständen rund um die Inventarisierung des x... und die behauptete Drohung des Klägers zu 2) ihr gegenüber "wenn sie da nicht mitmachen, beurlaube ich sie" abgeleitet werden. Dieses Verhalten wird zum einen umgangssprach...