Leitsatz (amtlich)
1. Der Mandant veranlasst durch vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Anwaltsdienstvertrages, wenn er die von dem Rechtsanwalt zu Recht geforderten Vorschusszahlungen nicht leistet.
2. Der Mandant ist dafür beweispflichtig, dass er Vorschusszahlungen nicht oder nur reduziert habe leisten sollen.
Normenkette
BGB §§ 675, 611, 627-628
Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 25.11.2010; Aktenzeichen 11 O 48/10) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.11.2010 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Duisburg - Einzelrichter - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 8.174,05 EUR
Gründe
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das LG hat zu Recht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die gegen die Entscheidung vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine der Beklagten günstigere Entscheidung.
I. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 18.4.2011. Dort hat er im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin kann von der Beklagten die zugesprochene Rechtsanwaltsvergütung beanspruchen.
1. Gegen den Ansatz der berechneten Gebühren und die rechnerische Richtigkeit der Honorarabrechnungen erhebt die Beklagte keine Einwendungen.
2. Der Gebührenanspruch der Klägerin ist nicht deshalb zu kürzen, weil die Leistungen der Klägerin infolge der Kündigung für die Beklagte kein Interesse mehr haben (§ 628 Abs. 1 Satz 2 BGB). Denn nicht die Klägerin, sondern die Beklagte hat durch vertragswidriges Verhalten die Kündigung veranlasst, indem sie die von der Klägerin geforderten Vorschusszahlungen nicht geleistet hat.
Die Beklagte wäre, wie das LG zutreffend ausgeführt hat, verpflichtet gewesen, die angeforderten (Rest-)Vorschüsse in sämtlichen Verfahren zu zahlen. Der Rechtsanwalt ist gem. § 9 RVG grundsätzlich berechtigt, Vorschüsse bis zur Höhe der vollen Verfahrensgebühr zu fordern. "Angemessen" im Sinne der Vorschrift ist nämlich der Vorschuss, der die gesamte voraussichtlich entstehende Vergütung abdeckt. Ist der Vorschuss vom Prozessanwalt zu gering bemessen gewesen, wird also zunächst nicht die volle Vergütung vorschusshalber verlangt, kann auch weiterer Vorschuss gefordert werden (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 19. Aufl., § 9 Rz. 8; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, RVG, 9. Aufl., § 9 Rz. 17; Schneider/Wolf, RVG, 4. Aufl., § 9 Rz. 68; ebenso BGH NJW 2004, 1043, 1047 zur Rahmengebühr).
Zahlt der Vorschusspflichtige den geforderten Vorschuss nicht, kann der Rechtsanwalt seine weitere Tätigkeit für den Auftraggeber einstellen und, ohne seinen Gebührenanspruch einzubüßen, das Mandatsverhältnis kündigen (Riedel/Sußbauer/Fraunholz, a.a.O., Rz. 16; Schneider/Wolf, a.a.O., Rz. 78). Dies gilt allerdings nicht, wenn das Vorschussbegehren zur Unzeit erfolgt (§ 627 Abs. 2 BGB) oder der Rechtsanwalt dem Vorschusspflichtigen die Einstellung seiner Tätigkeit nicht so rechtzeitig ankündigt, dass diesem daraus keine Nachteile entstehen (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 874; Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., Rz. 19; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, a.a.O., Rz. 15; Hartung/Römermann, RVG, 2. Aufl., § 9 Rz. 55).
Dem LG ist darin zu folgen, dass das (nachträgliche) Vorschussbegehren nicht zur Unzeit i.S.d. § 627 Abs. 2 BGB erfolgt ist, weil die Beklagte sich die anwaltlichen Dienste rechtzeitig anderweitig beschaffen konnte. Die gegenteiligen Angaben des Geschäftsführers der Beklagten bei seiner Anhörung, nach denen die Vorschussforderungen stets erst kurz vor einem anstehenden Termin oder erst kurz vor dem Ablauf einer Schriftsatzfrist erfolgt seien, finden keine Stütze im schriftsätzlichen Parteivortrag. Sie sind auch nicht damit in Einklang zu bringen, dass die Klägerin gerade den Termin vom 4.9.2009 noch wahrgenommen hat, obgleich sie die noch ausstehenden Vorschüsse zuvor bereits mehrfach in den verschiedenen Mandatsverhältnissen bei der Beklagten angemahnt hatte. Ein unzulässiger Druck oder gar eine "Erpressung" der Beklagten sind in der Nachforderung der gesetzlichen Vorschüsse nicht zu erkennen.
Der Vortrag der Beklagten, die Klägerin habe die Mandate "erkennbar als Reaktion auf eine fachliche Kritik" gekündigt, ist ebenso ohne jede Substanz wie ihre Behauptung, es habe Anlass für die Befürchtung bestanden, die Klägerin betreibe keinen herkömmlichen Kanzleibetrieb und werde ihre Leistungen nicht erbringen.
Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Parteien eine von § 9 RVG abweichende Vereinbarung getroffen haben (vgl. dazu OLG Düsseldorf FamRZ 2009, 1846 = OLGReport Düsseldorf 2009, 672). Zutreffend ist das LG davon ausgegangen, dass die Beklagte die Beweislast für eine Abrede des Inhalts trägt, sie habe Vorschusszahlungen nicht oder nur reduziert leisten sollen. Es handelt sich um einen Ausnahmetatbestand von dem gesetzlich statuierten Anspruch des Rechtsanwalts, einen angemessenen Vorschuss zu verlangen. Für dessen Vorliegen ist die Beklagte nach allgemeinen Grundsätzen als diejenige darlegungs- und beweisbel...