Leitsatz (amtlich)
Zur Ermittlung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachrechts im Nachlassverfahren nach einer ausschließlich die niederländische Staatsangehörigkeit besitzenden Erblasserin (hier: Erbstatut, Formstatut, Errichtungsstatut, Testierfähigkeit).
Normenkette
BGB § 2081 Abs. 1, §§ 2091, 2247 Abs. 1-2, 3 S. 1; EGBGB Art. 4 Abs. 1 S. 1, Art. 25 Abs. 1-2, Art. 26 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1; ErbRÜbk Haag Art. 3 Fassung:1989-08-01; EGBGB Art. 3
Verfahrensgang
AG Kleve (Beschluss vom 05.09.2012; Aktenzeichen 17 VI 323/2010) |
Tenor
Das Rechtsmittel wird auf Kosten der Beteiligten zu 3. und 4. zurückgewiesen.
Geschäftswert: bis 110.000 EUR.
Gründe
I. Die Erblasserin war niederländische Staatsangehörige. Die Beteiligten zu 1. bis 4. sind Söhne eines vorverstorbenen Bruders der Erblasserin, des Herrn M. W., mithin deren Neffen.
Die Erblasserin hinterließ ein auf den 1.4.2008 datiertes handschriftliches Schriftstück, in dem es zunächst heißt:
"Erben
Neffen, Söhne vom Bruder
M. W. in Niederlande"
Es folgen die Namen und Anschriften der Beteiligten zu 2. - dieser mit dem Zusatz "Patenkind" - und 1. - dieser mit dem Zusatz "Cees". Das Schriftstück ist unterschrieben mit "Tante C: W." unter Beifügung ihrer Anschrift. Zwischen dem Text und der Unterschrift befindet sich folgender von den Eheleuten U. und W. V. unterzeichneter handschriftlicher Vermerk:
"Hiermit bescheinige ich, dass Frau C. W. zur Zeit der Niederschrift ihres Testamentes voll testierfähig ist und voll im Besitz ihrer geistigen Kräfte ist.
Kleve, den 10.4.2008"
Unter Berufung auf dieses Schriftstück haben die Beteiligten zu 1. und 2. die Auffassung vertreten, die Erblasserin habe ein privatschriftliches Testament errichtet und sie als ihre Erben zu gleichen Teilen eingesetzt, und die Erteilung eines sie als Miterben zu je ½ Anteil nach der Erblasserin ausweisenden Erbscheins beantragt. Dem sind die Beteiligten zu 3. und 4. entgegengetreten.
Durch die angefochtene Entscheidung hat das Nachlassgericht - unter Aussetzung der sofortigen Wirksamkeit des Beschlusses und Zurückstellung der Erteilung des Erbscheins bis zu dessen Rechtskraft - die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.
Gegen diese ihnen am 15. und 18.9.2012 zugestellte Entscheidung wenden sich die Beteiligten zu 3. und 4. mit ihrem am 28.9.2012 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, das die Beteiligten zu 1. und 2. zurückgewiesen sehen möchten.
Mit weiterem Beschluss vom 15.10.2012 hat das Nachlassgericht dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte und der Testamentsakte 17 IV 228/2010 AG Kleve Bezug genommen.
II. Das gem. §§ 58 Abs. 1 i.V.m. 352 Abs. 1 Satz 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG als befristete Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Beteiligten zu 3. und 4., das nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gem. § 68 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 2 FamFG dem Senat zur Entscheidung angefallen ist, bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Der gegebene Fall weist einen Auslandsbezug auf, da die Erblasserin - allein - die niederländische Staatsangehörigkeit hatte. Demzufolge ist zunächst das für die Entscheidung maßgebliche Sachrecht zu ermitteln. Dies führt zu dem Ergebnis, dass die Mehrzahl der auftretenden Fragen nach deutschem Recht zu beurteilen ist, im Übrigen niederländisches Recht Anwendung findet.
a) Nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte; dies ist hier das niederländische Recht. Bei der vorgenannten Verweisung handelt es sich nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB um eine Gesamtverweisung, mithin einschließlich des Internationalen Privatrechts der ausländischen Rechtsordnung. Zwar kann ein Erblasser für in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen in Form einer letztwilligen Verfügung deutsches Recht wählen, Art. 25 Abs. 2 EGBGB. Doch ist diese Möglichkeit im vorliegenden Fall ohne Belang, weil die Erblasserin weder eine Rechtswahl getroffen hat, noch Grundbesitz zum Nachlass gehört.
Im niederländischen Internationalen Privatrecht regelte für Erbfälle, die zwischen dem 1.10.1996 und dem 31.12.2011 eintraten, das Wet conflictenrecht erfopvolging das auf Erbfolge und Erbschaftsauseinandersetzung anwendbare Recht. Für die Erbfolge verwies es auf die Regelungen des Haager Übereinkommens über das auf die Erbfolge anwendbare Recht vom 1.8.1989. Dieses Abkommen bestimmt in Art. 3, dass die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht desjenigen Staates unterliegt, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn er in diesem Zeitpunkt Angehöriger dieses Staates war (Abs. 1); ferner, dass die Rechtsnachfolge von Todes wegen ebenfalls dem Recht desjenigen Staates unterliegt, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlic...