Leitsatz (amtlich)
1. Dem Rechtsanwalt ist eine Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht vorzuwerfen, wenn er rechtzeitig und mit höchstrichterlich anerkannten Gründen Fristverlängerung beantragt hat.
2. Ohne konkrete Anhaltspunkte braucht ein Rechtsanwalt die an einem Berufungsgericht vereinzelt geübte, von der höchstrichterlichen Rspr. abweichende Rechtspraxis zur Verlängerung von Berufungsbegründungsfristen nicht zu kennen.
Verfahrensgang
LG Kleve (Aktenzeichen 1 O 638/02) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Tatbestand
Die beklagten Rechtsanwälte vertraten die Klägerin in einem Kündigungsschutzprozess. Nachdem die Klage vom Arbeitsgericht W. abgewiesen worden war, legten die Beklagten am 8.12.1999 beim LAG Düsseldorf Berufung ein. Am 7.1.2000 beantragten sie, die am 10.1.2000 ablaufende Berufungsbegründungsfrist um drei Wochen zu verlängern. Durch Beschluss vom 11.1.2000 lehnte der Vorsitzende der zuständigen 12. Kammer des LAG unter Hinweis auf LAG Düsseldorf (LAG Düsseldorf v. 23.12.1993 – 12 (11) Sa 1657/93, VersR 1994, 1208 = DB 1994, 1528; sowie BAG AP Nr. 6 zu § 66 ArbGG 1979) den Verlängerungsantrag ab. Das von den Beklagten namens der Klägerin rechtzeitig gestellte Wiedereinsetzungsgesuch wurde zurückgewiesen, ihre Berufung unanfechtbar als unzulässig verworfen. Eine Verfassungsbeschwerde der Klägerin blieb erfolglos.
Die Klägerin hat die Beklagten wegen dieser Vorgänge auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das LG hat ihre Klage abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die hiergegen erhobenen Angriffe der Beklagten bleiben erfolglos.
Das Urteil des LG ist richtig. Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 2) keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus positiver Forderungsverletzung des Anwaltsdienstvertrages (§§ 675, 611 BGB), da eine Verletzung von Anwaltspflichten durch den Beklagten zu 2) nach den gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen nicht festgestellt werden kann. Demgemäss entfällt auch eine Haftung der übrigen Beklagten.
1. Der Senat folgt dem LG darin, dass der Beklagte zu 2) die Frist zur Begründung der am 8.12.1999 vor dem LAG Düsseldorf (LAG Düsseldorf – 12 Sa 1920/99) eingelegten Berufung nicht schuldhaft versäumt hat, §§ 66 Abs. 1 S. ArbGG, 233, 85 Abs. 2 ZPO. Denn er durfte damit rechnen und darauf vertrauen, dass der Vorsitzende der 12. Kammer des LAG Düsseldorf die Frist zur Berufungsbegründung verlängern würde.
Die Erwartung und das Vertrauen auf eine Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung sind bei normalem Verlauf der Dinge regelmäßig dann begründet, wenn der diesbezügliche Antrag auf den in der Praxis üblichen Hinweis auf Arbeitsüberlastung oder Urlaub gestützt wird. Die besonders starke Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten gehört zu den erheblichen Gründen i.S.d. § 66 Abs. 1 S. 4 ArbGG. Diese Vorschrift ist in gleicher Weise auszulegen und anzuwenden, wie die im Wortlaut identische Vorschrift des § 519 Abs. 2 S. 3 ZPO a.F. (jetzt § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO). Danach sind die Gründe der besonders starken Arbeitsbelastung und ihre Auswirkungen auf die Bearbeitung gerade der konkreten Sache nicht näher zu substanziieren und glaubhaft zu machen. Auch eine Rückfrage bei Gericht, ob der Verlängerungsantrag positiv beschieden wird oder nicht, ist vor Ablauf der Frist nicht veranlasst (BAG v. 27.9.1994 – 2 AZB 18/94, MDR 1995, 955 = NJW 1995, 1446 f.). Als schuldhaft kann ein hierauf ausgerichtetes Verhalten des Prozessbevollmächtigten nur dann angesehen werden, wenn dem betroffenen Rechtsanwalt bekannt sein muss, dass bei dem angerufenen Gericht eine strengere, aber noch rechtmäßige Handhabung von Verfahrensvorschriften zu erwarten ist (BVerfG v. 12.1.2000 – 1 BvR 222/99, NZA 2000, 446 f.; v. 28.2.1989 – 1 BvR 649/88B, VerfGE 79, 372 ff.; BAG v. 27.9.1994 – 2 AZB 18/94, MDR 1995, 955 = NJW 1995, 1446 ff.; BGH v. 24.10.1996 – VII ZB 25/96, MDR 1997, 191 = NJW 1997, 400). Dies ist hier indes nicht der Fall.
a) Der Beklagte zu 2) hat den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist rechtzeitig gestellt. Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 28.9.1999 wurde innerhalb der Monatsfrist des § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB eingelegt. Das Urteil war am 8.11.1999 der Klägerin zugestellt worden. Die Berufungsschrift ging am 8.12.1999 beim LAG Düsseldorf ein. Den am 7.1.2000 beim LAG eingegangenen Antrag zur Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist hat der Beklagte zu 2) vor Ablauf der Frist am 10.1.2000 gestellt (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG). Seinen Fristverlängerungsantrag hat er damit begründet, „dass es noch der Einholung ausstehender Informationen bedarf, die aus Arbeitsüberlastungsgründen bis dato noc...