Leitsatz (amtlich)
1. Verstirbt der Vorerbe während des von ihm geführten Beschwerdeverfahrens gegen die Versagung der Erteilung eines Vorerben-Erbscheins, so ist die Vorerbschaft beendet, das Begehren eines Ausweises der gegenwärtigen Rechtslage gegenstandslos geworden und tritt Erledigung der Hauptsache ein, mit der Folge, dass das Rechtsmittelverfahren unzulässig wird, sofern der Beschwerdeführer (Rechtsnachfolger) das Rechtsmittel nicht auf den Kostenpunkt beschränkt hat.
2. Nach dem Tode des Vorerben kann der Antrag auf Erteilung eines Vorerben-Erbscheins nicht mit dem Ziel der Erteilung eines Ausweises der früheren Rechtslage umgestellt werden, weil es für einen solchen Antrag, sofern man ihn nicht überhaupt für unzulässig hält, ohne ein - hier nicht gegebenes - besonderes Bedürfnis für die Bekundung einer vergangenen Rechtslage jedenfalls am Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Normenkette
BGB § 2353; FamFG § 62 Abs. 1-2
Verfahrensgang
AG Mönchengladbach (Aktenzeichen 15 VI 865/19) |
Tenor
Das Rechtsmittel wird auf Kosten des Beteiligten zu 1. als unzulässig verworfen.
Geschäftswert: 500.000 EUR.
Gründe
I. Der Erblasser hatte die ehemalige Beteiligte zu 1., eine langjährige Angestellte, testamentarisch hinsichtlich bestimmten Grundbesitzes zur Vorerbin eingesetzt, bei ihrem Tod seine - 2013 verstorbene - Tochter beziehungsweise deren Kinder - die Beteiligten zu 2. und 3. - zu Nacherben. Unter dem 12. November 1979 wurde der ehemaligen Beteiligten zu 1. ein Erbschein erteilt, der sie als Miterbin zu 8/12 Anteil, wobei bezüglich des ihr zugewandten unbeweglichen Vermögens Nacherbfolge angeordnet sei, auswies.
Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 11. November 2019 (in Verbindung mit derjenigen vom 19. August 2019) beantragte die ehemalige Beteiligte zu 1. einen Erbschein dahin, dass sie - bei Nennung der übrigen Miterben - Miterbin zu 8/12 Anteil nach dem Erblasser sei, wobei sie, sowohl hinsichtlich des ihr zugewandten beweglichen als auch hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens, befreite Vorerbin sei. In der Folge stritten die Beteiligten über ihre Stellung als befreite Vorerbin.
Durch die angefochtene Entscheidung hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Des weiteren hat es in einem weiteren, hier nicht gegenständlichen Beschluss vom 4. März 2020 den 1979 erteilten Erbschein wegen Unrichtigkeit eingezogen, zum einen wegen inzwischen eingetretener Ersatznacherbfolge, zum anderen weil seine Fassung dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge keine Rechnung getragen habe.
Gegen den erstgenannten, ihr am 26. Februar 2020 zugestellten Beschluss hat sich die ehemaligen Beteiligte zu 1. mit ihrem am 17. März 2020 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel gewandt, mit dem sie ihren Erbscheinserteilungsantrag weiterverfolgt und dem das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat.
Während des Beschwerdeverfahrens ist die ehemalige Beteiligte zu 1. verstorben; ihr Erbe ist der jetzige Beteiligte zu 1. Im Rahmen der Korrespondenz des Gerichts mit den Beteiligten zum Verfahrensfortgang hat der Beteiligte zu 2. vorgebracht, vor ihrem Tode habe die Beteiligte zu 1. mit notariell beurkundetem Vertrag vom 3. Juni 2020 eine bestimmte Immobilie an ihrem Sohn (den Vater des jetzigen Beteiligten zu 1.) veräußert, zudem sei der Grundbesitz mit Grundschulden von 2 Mio. EUR belastet worden. Der Beteiligte zu 1. hat erklärt, dass, falls die verstorbene ehemalige Beteiligte zu 1. Verfügungen über den Nachlass getätigt haben sollte, die nur zulässig gewesen wären, wäre sie befreite Vorerbin gewesen, eine Entscheidung des Senats gemäß dem Beschwerdeantrag Rechtssicherheit gegenüber eventuellen Ansprüchen der Nacherben wegen behaupteter Unwirksamkeit der Verfügungen bieten könnte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie der Testamentsakte 15 IV 518/73 AG Mönchengladbach Bezug genommen.
II. Die Sache ist infolge der mit weiterem Beschluss des Nachlassgerichts vom 10. Juni 2020 ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe und Vorlage beim Beschwerdegericht dem Senat zur Entscheidung angefallen, § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. FamFG.
Bei seiner Einlegung war das Rechtsmittel der damaligen Beteiligten zu 1. als befristete Beschwerde statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG).
Durch den Tod der ehemaligen Beteiligten zu 1. ist es jedoch unzulässig geworden und daher zu verwerfen.
1. Es ist eine Erledigung der Hauptsache im Beschwerdeverfahren eingetreten.
In einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Hauptsache anerkanntermaßen (vgl. Keidel-Sternal, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 22 Rdnr. 24 m. zahlr. Nachw.) erledigt, wenn nach dessen Einleitung der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, das eine Veränderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, weggefallen ist. Im Erbscheinserteilungsverfahren bildet den Verfahrensgegenstand der Erbscheinsantrag, an den das Nachlassgericht - bis auf wenige, hier nicht in Rede stehende Ausnah...