Leitsatz (amtlich)
1. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG, wonach das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen kann, geht nicht davon aus, dass die Nichterstattung die Regel und die Kostenerstattung die Ausnahme darstellt, sondern knüpft die Anordnung der Kostenerstattung allgemein an das Ergebnis einer Billigkeitsabwägung.
2. Ist zu Lasten eines Beteiligten lediglich die Tatsache seines Unterliegens (hier: der Rücknahme seiner Einwendungen gegen den Erbschein) zu gewichten und sind zugunsten des Beteiligten ins Gewicht fallende Billigkeitsgründe (die es rechtfertigen ihm die Kostenerstattung zu ersparen) nicht ersichtlich, so reicht allein das Unterliegen als Anknüpfungspunkt für die Erstattungspflicht jedenfalls dann aus, wenn ein Verfahren - wie beim Erbscheinsverfahren der Fall - ausschließlich oder doch bei Weitem überwiegend einen vermögensrechtlichen Hintergrund hat und die persönliche Nähe der Beteiligten zueinander Anderes nicht gebietet.
3. Tritt der Rechtsmittelgegner dem Rechtsmittel nicht entgegen, so kommt dem Obsiegen des Rechtsmittelführers allein kostenmäßig im Rahmen der Billigkeitsabwägung nur ein vermindertes Gewicht zu, was es gebieten kann, von einer Erstattungsanordnung im Hinblick auf die außergerichtlichen Kosten abzusehen.
Normenkette
FamFG § 58 Abs. 1, § 81 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Düsseldorf (Beschluss vom 06.08.2010; Aktenzeichen 91 VI 30/10) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Von der Erhebung der (Gerichts-) Kosten wird abgesehen.
Die Beteiligte zu 2 hat dem Beteiligten zu 1 die ihm im Verfahren erster Instanz (über die der Beantragung des Erbschein hinaus) notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Für das Beschwerdeverfahren werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Wert: Bis 6.000 EUR
Gründe
I. Die am 7.1.2010 verstorbene Erblasserin hat den Beteiligten zu 1 durch privatschriftliches Testament vom 3.1.2010 zu ihrem Alleinerben eingesetzt.
Der Beteiligte zu 1 stellte deshalb am 28.1.2010 einen Antrag auf Erteilung eines entsprechenden Erbscheins.
Hiergegen hat sich die Beteiligte zu 2, die Schwester der Erblasserin, zunächst u. A. mit der Behauptung gewandt, die Erblasserin sei zum Zeitpunkt der Abfassung der letztwilligen Verfügung nicht testierfähig gewesen.
Nachdem das Nachlassgericht am 22.4.2010 einen umfangreichen Beweisbeschluss hierzu erlassen hatte und aufgrund dessen bereits am 7.5.2010 Krankenunterlagen der Erblasserin bei Gericht eingegangen waren, die einen Rückschluss auf eine Testierunfähigkeit der Erblasserin nicht zuließen, gab die Beteiligte zu 2 ihre Einwände gegen die Erbscheinserteilung auf, weil weitere Nachforschungen und eine Information der Klinik, in der die Erblasserin zuletzt behandelt worden war, nunmehr ergeben habe, dass die Einwendungen keinerlei Aussicht auf Erfolg hätten, worauf das Nachlassgericht am 14.6.2010 dem Beteiligte zu 1 antragsgemäß den Erbschein erteilte.
Der Beteiligte zu 1 hat unter dem 1.7.2010 beantragt, der Beteiligten zu 2 die - auch außergerichtlichen - Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Das AG - Nachlassgericht - hat am 6.8.2010 beschlossen, dass von der Erhebung der Kosten abgesehen werde und hat den Gegenstandswert auf 145.700 EUR festgesetzt.
Mit der sofortigen Beschwerde begehrt der Beteiligte zu 1 die Änderung des Kostenbeschlusses und Belastung der Beteiligten zu 2 mit den außergerichtlichen Kosten des Erbscheinsverfahrens.
Er macht geltend, die Beteiligte zu 2 habe wider besseres Wissen dem aufgrund eines gültigen Testaments ihm, dem Beteiligten zu 1, als Alleinerben zu erteilenden Erbschein widersprochen und damit das Verfahren provoziert, was es rechtfertige, ihr seine außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.1. Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG zulässige (vgl. OLG Stuttgart - 11 UF 286/10 - vom 01. 03.2011 bei juris; Schindler in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl. 2010 § 81 FamFG Rdz 28, 78) befristete Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist begründet.
a)aa) Nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen.
§ 81 FamFG geht nicht mehr von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis aus, in dem die Nichterstattung die Regel, die Kostenerstattung die Ausnahme darstellt, sondern knüpft die Anordnung der Kostenerstattung allgemein an das Ergebnis einer stets erforderlichen Billigkeitsabwägung, ohne dass es darauf ankäme, die Hürde einer Regelwirkung zu überwinden (Schindler in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl. 2010 § 81 FamFG Rz. 7; Keidel-Zimmermann, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 81 Rz. 44).
Einzelne Billigkeitskriterien können sein: in Antragsverfahren das Maß des Antragserfolges, insbesondere die Zurückweisung des Antrags; die Antragsrücknahme; die Art der Verfahrensführung. Andererseits braucht das ganze oder teilweise Unterliegen kein hinreichender Grund für die Kostenauferlegung zu sein...