Leitsatz (amtlich)
I. Ist nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG über die Tragung von Kosten zu entscheiden, ist nicht von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis auszugehen, wonach etwa Gutachtenskosten regelmäßig vom Antragsteller zu tragen wären. In einem solchen Fall hängt die Entscheidung vom Ergebnis einer freien Billigkeitsabwägung ab.
II. Bestätigt ein Gutachten die Behauptung eines Beteiligten nicht, das vom Erblasser selbst hinterlegte Testament sei von verschiedenen Personen geschrieben, entspricht es der Billigkeit, diesem Beteiligten die Kosten des Sachverständigengutachtens aufzuerlegen.
Normenkette
FamFG § 81 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Weilheim i. OB (Beschluss vom 23.01.2012; Aktenzeichen VI 000194/10) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des AG Weilheim vom 23.1.2012 aufgehoben, soweit der Beteiligten zu 1 darin die auch die Kosten für das im Erbscheinsverfahren erholte Gutachten der Sachverständigen vom 3.11.2010 auferlegt wurden. Diese Kosten trägt die Beteiligte zu 2.
II. Für das Beschwerdeverfahren werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Gründe
I. Die verwitwete Erblasserin ist am 16.3.2010 im Alter von 94 Jahren kinderlos verstorben. Die Beteiligte zu 2 ist die Nichte der Erblasserin.
Die Erblasserin hatte laut Protokoll des Nachlassgerichts am 7.2.2006 "ein handschriftliches Testament vom 3.4.2004" in amtliche Verwahrung gegeben, das die Beteiligte zu 1 begünstigt.
Mit Schriftsatz vom 21.6.2010 trug die Beteiligte zu 2 vor, dass es sich bei dem Schriftstück vom 3.4.2004 deutlich erkennbar um eine Fälschung handele, da es von zwei verschiedenen Personen abgefasst sei. Daraufhin erholte das AG mit Beschluss vom 28.9.2010 ein Sachverständigengutachten zur Frage der Formgültigkeit des Testaments. Nach Eingang des Gutachtens vom 3.11.2010 erteilte das AG der Beteiligten zu 1 am 20.12.2010 den beantragten Erbschein, machte ihr gegenüber aber auch die Kosten des erholten Gutachtens geltend.
Im Anschluss an eine von der Beteiligten zu 1 herbeigeführte Beschwerdeentscheidung des Senats vom 27.9.2011 (31 Wx 423/11) hat das AG mit Beschluss vom 23.1.2012 den Beschluss vom 20.12.2010 dahin ergänzt, dass die Beteiligte zu 1 die Kosten des Erbscheinsverfahrens zu tragen habe. Der dagegen mit Schreiben vom 14.2.2012 von der Beteiligten zu 1 eingelegten Beschwerde half das AG am 27.2.2012 nicht ab. Es entspräche der Billigkeit, der Beteiligten zu 1 die Kosten des Erbscheinsverfahrens aufzuerlegen, da die Einwendungen der Beteiligten zu 2 gegen das Testament angesichts des Ergebnisses des Gutachtens nicht mutwillig erschienen. Es habe daher bei dem Grundsatz zu verbleiben, dass sie als Antragstellerin des Erbscheins nach § 2 Nr. 1 KostO Kostenschuldnerin der Gerichtskosten einschließlich der Auslagen sei.
II.1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde allein gegen die nun nachgeholte Kostengrundentscheidung ist zulässig, §§ 58 ff. FamFG. Die Beteiligte zu 1 ist durch die Entscheidung beschwert, § 59 Abs. 1 FamFG. Der Beschwerdewert ist überschritten (§ 61 Abs. 1 FamFG).
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
a) Folgt einem auf Antrag vorzunehmenden Geschäft (Antrag auf Erbscheinserteilung) ein Amtsgeschäft (Einholung eines Sachverständigengutachtens), so haftet, wenn im Beschluss keine anderweitige Kostenentscheidung getroffen ist, als Kostenschuldner nach § 2 Nr. 1 KostO der Antragsteller auch für solche Sachverständigenauslagen, die allein auf Grund der Einwände eines anderen Beteiligten veranlasst wurden. Zur Vermeidung von Unbilligkeiten muss das Gericht - jedenfalls bei einem entsprechenden Antrag oder wenn sich die Unbilligkeit aufdrängt - nach §§ 81 ff. FamFG prüfen, ob es die Gerichtskosten einem Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegt, § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG (LG Frankenthal ZEV 2005, 529; LG Saarbrücken NJW-RR 2010, 305-306). Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung, die nach Billigkeitsgesichtspunkten zu treffen ist.
§ 81 FamFG geht nicht von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis aus, wonach die Tragung der Kosten etwa des einhergehenden Amtsgeschäfts durch den Antragsteller die Regel darstellen würde, sondern erfordert eine Billigkeitsabwägung, ohne dass es darauf ankäme, die Hürde einer Regelwirkung zu überwinden (Schindler in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl. 2010 § 81 FamFG Rz. 7; Keidel/Zimmermann, FamFG, 17. Aufl. 2011, § 81 Rz. 44; vgl. auch die Gesetzesbegründung zu § 81 FamFG, BT-Drucks. 16/6308, 215). Um einem Beteiligten Kosten auferlegen zu können, ist es auch nicht erforderlich, dass Umstände vorliegen, die nach Art und Bedeutung den Regelbeispielen des § 81 Abs. 2 FamFG entsprechen (OLG Düsseldorf FGPrax 2011, 207, 208). Auch wenn das vollständige Unterliegen nicht zwingend zu einer Kostenauferlegung führen muss (MünchKomm/Schindler, § 81 FamFG Rz. 12; Holzer/Wilsch, FamFG, 2011, § 81 Rz. 4), so kann ein Billigkeitskriterium in Antragsverfahren doch das Maß des Antragserfolges sein. Weitere Kriterien können die Verfahrensführung, das Vorbringen unwahrer Behauptungen, ...