Leitsatz

Holt das Gericht im Erbscheinsverfahren ein Gutachten ein, haftet der Antragsteller auch für solche Sachverständigenauslagen, die allein auf Grund der Einwände eines Dritten veranlasst wurden. Das Gericht muss aber prüfen, ob es diese Kosten billigerweise dem anderen auferlegt.

 

Sachverhalt

Eine verwitwete Erblasserin ist 2010 kinderlos verstorben. Sie hatte selbst in 2006 ein handschriftliches Testament vom 3.4.2004 in amtliche Verwahrung gegeben, das die Beteiligte zu 1) begünstigt. Eine Nichte der Erblasserin, Beteiligte zu 2), trug vor, dass das Testament gefälscht sei, da es von zwei verschiedenen Personen abgefasst sei. Daraufhin holte das Amtsgericht ein Sachverständigengutachten zur Frage der Formgültigkeit des Testaments ein. Nach Eingang des Gutachtens erteilte das Nachlassgericht der Beteiligten zu 1) am 20.12.2010 den beantragten Erbschein, machte ihr gegenüber aber auch die Kosten des Gutachtens geltend.

Dabei berief sich das Gericht im Beschwerdeverfahren darauf, dass sie als Antragstellerin des Erbscheins nach § 2 Nr. 1 KostO Kostenschuldnerin der Gerichtskosten einschließlich der Auslagen sei. Es erlegte die gesamten Kosten im Erbscheinsverfahren unter Ergänzung des ersten Beschlusses am 23.1.2012 der Erbin auf. Die war nicht angetan und wehrte sich mit Erfolg.

Zwar gilt der Grundsatz: Folgt einem auf Antrag vorzunehmenden Geschäft (hier: Antrag auf Erbscheinserteilung) ein Amtsgeschäft (Einholung eines Sachverständigengutachtens), haftet, wenn im Beschluss keine anderweitige Kostenentscheidung getroffen ist, nach § 2 Nr. 1 KostO der Antragsteller auch für solche Sachverständigenauslagen, die allein auf Grund der Einwände eines anderen Beteiligten veranlasst wurden.

Das OLG vertrat folgende Auffassung:

  • Zur Vermeidung von Unbilligkeiten muss das Gericht, jedenfalls bei einem entsprechenden Antrag oder wenn sich dies aufdrängt, nach §§ 81ff. FamFG prüfen, ob es die Gerichtskosten einem Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegt. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung, die nach Billigkeitsgesichtspunkten zu treffen ist.
  • Um einem Beteiligten Kosten auferlegen zu können, müssen keine Umstände vorliegen, die nach Art und Bedeutung den Regelbeispielen des § 81 Abs 2 FamFG entsprechen.
  • Auch wenn das vollständige Unterliegen nicht zwingend zu einer Kostenauferlegung führen muss, kann ein Billigkeitskriterium in Antragsverfahren das Maß des Antragserfolges sein.
  • Weitere Kriterien können die Verfahrensführung, das Vorbringen unwahrer Behauptungen, die Erkennbarkeit der Aussichtslosigkeit der Einwendung von Anfang an sowie schuldhafte Veranlassung des Verfahrens sein.

Wird im Erbscheinsverfahren allein aufgrund der Einwendungen eines anderen Beteiligten ein Sachverständigengutachten eingeholt, können diesem die entsprechenden Kosten auferlegt werden. Im Urteilsfall hatte die nicht berücksichtigte Nichte "ins Blaue" eine Fälschung behauptet, obwohl die Erblasserin das Testament selbst in Verwahrung gegeben hatte. Das sollte nicht zu Lasten der Erbin gehen.

 

Link zur Entscheidung

OLG München, Beschluss v. 30.4.2012, 31 Wx 68/12.

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